02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
versprechen, Sie den besten Ärzten und Psychiatern zu übergeben, um sicherzustellen, dass Sie wieder ganz gesund werden.«
James Wallaces Sessel ächzte leise, als er sich vorbeugte, den Ellbogen auf sein Knie gestützt. »Dann sind Sie also bereit, Heathers Karriere zu zerstören und meine gleich mit?«
»Nicht ich, sondern Ihre Tochter«, widersprach Rutgers. »Es ist allein ihr Ermessen.«
Heather starrte die Frau an. »Wäre das dann alles?«, fragte sie.
»Meine Herren?«, murmelte Rutgers. »Noch etwas?«
Ihr Gesichtsausdruck wirkte distanziert. Aber Heather merkte, dass ihr Körper und vor allem ihre Schultern stark angespannt waren.
»Nein, Ma’am«, antwortete Rodriguez.
Wallace schüttelte den Kopf.
»Dann sind wir fertig. Bis Montag, Wallace. Denken Sie gut nach.« Rutgers drückte auf einen Knopf an ihrem Schreibtisch, und der Bildschirm wurde dunkel.
Heather erhob sich und blickte Rodriguez an. »Sir«, flüsterte sie. Ohne ihren Vater eines weiteren Blicks zu würdigen, verließ sie das Büro.
Heather durchquerte eilig das Parkhaus. In ihrem Inneren brannte die Wut ein Loch in ihre Eingeweide. Draußen hatte
es zu regnen aufgehört, aber die Luft war noch kühl, klamm und roch nach Gummi, altem Öl und Autoabgasen. Sie entriegelte mit ihrem Türöffner den Trans Am und fasste nach dem Griff, um die Tür zu öffnen.
»Heather!« Ihr Name hallte an den Betonwänden wider.
Sie drehte sich rasch um und sah sich ihrem Vater gegenüber. »Was willst du?«
»Bisher dachte ich immer, die traditionelle Begrüßung sei Hallo« , erklärte James Wallace mit neutral klingender Stimme. Er stand etwa einen Meter von ihr entfernt, die Hände in den Taschen seines hellbraunen Trenchcoats. In seiner Brille spiegelten sich die flackernden Lichter an der Decke wider. »Ich bin gekommen, um für dich zu bürgen. Wir sind noch immer Blutsverwandte, ob dir das passt oder nicht, und mein Wort hat Gewicht.«
»Ich habe dein Gewicht nie gebraucht oder gewollt.«
»Ich weiß«, sagte James Wallace. Um seine Lippen spielte ein Lächeln. »Das mochte ich an dir schon immer.«
»Ist dir nicht klar, dass sie dich gerade benutzt haben?«
»Doch … jetzt schon.« Er seufzte. »Ich habe versucht, dich zu schützen.«
»Das hast du noch nie getan. Warum jetzt?«
James Wallace nahm die Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. »Wieso bist du da so sicher?« Auf einmal wirkte er müde und erschöpft und sah aus, als müsse er sich dringend rasieren. Ohne sie einmal mit bloßem Auge anzusehen, setzte er die Brille wieder auf. »Ich will, dass wir wieder eine Familie sind, Heather. Wir alle.«
»Ach ja? Ich kann mich nicht erinnern, dass du mich in der Klinik besucht oder auch nur angerufen hast«, flüsterte sie. Die Muskeln in ihren Schultern spannten sich an.
»Ich ertrug den Gedanken nicht, dich verletzt und leidend zu sehen. Nicht dich. Hoffentlich haben dich die Medien in Ruhe gelassen.«
War das echte Fürsorge? Oder nur Verhörtechnik? Es verwirrte Heather, dass sie es nicht wusste. »Warum interessiert es dich, ob mich die Medien in Ruhe gelassen haben?«
Er zog die Hände aus den Taschen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich erinnere mich, wie grauenhaft es war, nachdem deine Mutter gestorben war.«
»Ermordet … man hat sie ermordet.«
»Ich habe mein Bestes getan, um euch zu beschützen. Ich wünschte, du könntest das verstehen.«
»Ich verstehe, dass du Annie nie die Hilfe gegeben hast, die sie brauchte.« Sie merkte, wie sich ihre Fingernägel in ihre Handballen bohrten, und begriff, dass sie wieder einmal in ihre alten Rollenmuster gerutscht waren. Sie griff ihn an, und er verteidigte sich, wodurch sie immer wieder dieselben Auseinandersetzungen führten.
»Was soll es deiner Schwester bringen, wenn du die Vergangenheit wieder ausgräbst? Schau in die Zukunft und lass die Toten ruhen.«
Heather starrte ihn an. Wie hatte er es so schnell herausgefunden? Wanzen? Spione? Von Lyons? Oder hatte es ihm ein Angestellter en passant erzählt? Im Grunde war es egal. Das Wesentliche war: Er wusste es.
»Nein«, sagte Heather.
»Einfach nein und das war’s?«
»Das war’s.«
»Denk an deine Schwester, deinen Bruder«, sagte Dad. »Sie müssen nicht alle Einzelheiten des Mordes an deiner Mutter kennen.«
»Ich denke an sie«, sagte Heather. »Wenn du von Anfang an ehrlich uns gegenüber gewesen wärst, hätten wir Annie schon viel früher helfen können. Ich glaube, dass uns die
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