02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
sie die Szene auf »Wiederholen« geschaltet hatte.
»Ich fahre jetzt«, sagte er noch einmal sanft und ging neben dem Sofa in die Hocke. »Kann ich mich darauf verlassen, dass du hierbleibst, während ich weg bin?«
Athena nickte, wodurch ihr das Haar ins Gesicht fiel. Gedankenverloren strich sie es beiseite. Himmelblaues Licht tanzte in ihren Augen.
»Bleib von Vater weg. Was bedeutet, du kannst auch Mutter nicht ersticken. Versprochen?«
»Versprochen.«
»Was siehst du?«, fragte Alex.
»Einen Nachthimmel voll goldener und schwarzer Flügel«, murmelte sie. »Die Gefallenen kommen herab zu uns und erfüllen den Himmel mit ihren Gesängen. Ich sehe eine Frau, die auf einem Seil balanciert.«
»Was bedeutet das?«
»Frag Dante.«
Alex nahm die Hand seiner Schwester und drückte sie fest. »Thena, willst du wirklich hierbleiben? Du könntest mitkommen. «
Endlich sah sie ihn an. Der starre Blick, mit dem sie den Rechner betrachtet hatte, war verschwunden. »Es wird mir gutgehen, Xander.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Lippen. »Du kommst in Seattle viel besser ohne mich zurecht.« Sie erwiderte seinen Händedruck – hastig, aber voll Wärme.
Der Kreis schloss sich erneut, und für einen viel zu kurzen Moment fühlte sich Alex verbunden und ganz. Dann ließ Athena seine Hand los. Ihr Blick kehrte zum Bildschirm zurück. Sie berührte die Tastatur, und Licht huschte über ihr Gesicht. Tanzte in ihren Augen. Ihre Lippen bewegten sich, sie flüsterte.
Er hatte sie verloren. Wieder einmal.
Alex stand auf, öffnete die Vordertür und trat ins Freie. Der Nieselregen hatte aufgehört. Fahle Nebelfetzen durchzogen die grauen Wolken am Himmel und verfingen sich in den Baumkronen. Ein leichter Wind, der nach Kiefern und feuchter Erde duftete, wehte durch die Äste – ein schwaches, leises Seufzen.
Nenn mich Hades.
Ihm lief es eiskalt über den Rücken, und auf seinen Armen zeigte sich Gänsehaut.
Es blieb nicht mehr viel Zeit. Weniger, als er sich vorstellen wollte. Weniger, als er sich vorstellen konnte.
Alex hastete durch den Garten zur kiesbestreuten Einfahrt, wo sein Wagen stand. Regentropfen klebten wie Perlen aus dem roten Lack des Autos und glitzerten auf den Scheiben. Er setzte sich hinters Steuer und warf einen Blick auf den Boden neben ihm.
Das Täschchen, in dem er üblicherweise Munition und weitere Dinge für seine Waffen aufbewahrte, enthielt nun alles, was er brauchte, um Dante in seine Gewalt zu bringen. Der iPod mit den Anweisungen seines Vaters für Dante und eine kleine, schmale Betäubungspistole befanden sich in der Tasche seiner Kapuzenjacke – ebenso wie etwas, von dem Vater nichts wusste und womit er garantiert auch nicht einverstanden gewesen wäre: ein USB-Stick mit der gesamten Geschichte von Bad Seed und Dantes Vergangenheit.
Nur für den Fall, dass etwas schieflief.
»Amen, Bruder«, flüsterte Alex und ließ den Motor seines Pick-ups an.
Flach zwischen Kiefernnadeln und Käfern auf der Erde liegend, beobachtete Caterina den schlanken, hochgewachsenen blonden Mann in Jeans und dunkelgrauer Kapuzenjacke. Er kletterte gerade in einen Pick-up. Sie sah durch ihr Fernglas, wie er rückwärts die Ausfahrt hinunterfuhr und dann auf dem Highway verschwand.
Sah ganz so aus, als hätte Alex Lyons frei, vor allem, wenn man seine Klamotten und die späte Nachmittagsstunde bedachte. Das bedeutete, dass nur noch seine Zwillingsschwester in dem kleinen Nebengebäude und seine sterbende Mutter gemeinsam mit seinem Vater im Haupthaus blieben.
»Wie lange der Sohn weg sein wird?«, fragte Beck.
»Ist das wichtig?«, antwortete Caterina, ohne den Blick von dem luxuriös aussehenden Haus abzuwenden, das so pittoresk zwischen den Kiefern lag. »Es wird ohnehin nicht lange dauern, bis wir Wells erledigt haben.«
»Ja, ja«, ächzte Beck. »Das kleine Fräulein Gnadenlos.«
»Behalt deine Kommentare für dich.«
»Verstehe. Das kleine Fräulein Gnadenlos muss sich konzentrieren. «
Caterinas Muskeln spannten sich an, und für einen Moment sah sie vor ihrem inneren Auge ein klares Bild davon, wie sie Beck mit dem Riemen ihres Fernglases strangulierte. Sie stellte sich vor, wie sie zuzog, während sie ihm ihr Knie in den breiten Rücken drückte. Aus irgendeinem Grund fand sie das Bild ausgesprochen ergötzlich. Es erinnerte sie an eine Szene aus einem alten Actionfilm voller zweitklassiger Witze und steifer Dialogen.
I’ll be back …
Der Tag, an dem sie so weit war,
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