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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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›Stab der Leere‹ zurückgegeben hat, kann er sich sehr wohl auf dem Grund des Meeres und damit vollkommen außer Reichweite befinden.«
    »Ganz ausgezeichnet«, sagte eine männliche Stimme im Schatten hinter Alael. »Und jetzt gebt mir dieses Pergament.«
    Sie wagte kaum, sich umzudrehen und zuckte furchtsam zusammen, als jemand ihre Schulter packte und sie von ihrem Stuhl schob. Sie wich an ein Buchregal zurück, als der Mann vortrat.
    Er wirkte krank. Seine eingefallenen Züge waren fleckig und glänzten von Schweiß, und die Knochen seines Schädels traten stark hervor. Sein strähniger Haarschopf wies große Lücken auf, und eine Schwellung unter seinem Kiefer ließ sein Gesicht seltsam verzerrt wirken. Seine Kleidung war zerrissen, doch seine Augen leuchteten und die missgestaltete Hand, die er jetzt fordernd ausstreckte, zitterte kein bisschen.
    »Das Pergament, Alter. Sofort.«
    Baas Melgor Onsivar straffte sich zu Alaels Verblüffung jedoch in seinem Sessel und warf das Pergament vor sich auf den Schreibtisch. Er sah den Eindringling finster an. »Nehmt es! Das Wissen bleibt mir auch so erhalten.«
    Alaels beschlich eine unheilvolle Vorahnung, als der Mann böse grinste.
    »Ja«, erwiderte er gedehnt, während er das Pergament vom Tisch nahm. »Ich weiß …«
    Er hob die andere Hand, die in Flammen gehüllt war. Es war ein unnatürlicher, flackernder Handschuh aus Feuer. Die Flammen loderten in einer Mischung aus hellem, ätzendem Grün und blendendem, glühendem Weiß und schmiegten sich zuckend um die Haut seiner Finger. Alael traute ihren Augen nicht, als sie diese unmögliche Verbundenheit der Niederen Macht mit dem Brunn-Quell erkannte, und ihre erschreckte Erstarrung verwandelte sich in Ärger und eine bittere Sehnsucht nach der Gabe der Erden-Mutter.
    Der Mann warf ihr einen verächtlichen Seitenblick zu. »Wo versteckt sich deine Göttin jetzt, he?« Als ein grünweißer Blitz den Meister der Sprachen in die Brust traf, stieß Alael einen wütenden Schrei aus und sprang den Mann an. Onsivars Schmerzensschrei drang ihr durch Mark und Bein und spornte sie zum Handeln an, ohne auf ihre eigene Sicherheit zu achten. Ihr Gegner hatte mit einem derartig wilden Angriff nicht gerechnet, stolperte seitlich gegen das Geländer, das Onsivars Podest von dem restlichen Raum trennte, und stieß einen gellenden Wutschrei aus. Alael rang mit ihm, versuchte, ihm das Pergament zu entreißen, aber die Stärke und die Schnelligkeit des Mannes waren zu viel für sie. Mit einem Ellbogenstoß schleuderte er sie zur Seite und versetzte ihr anschließend einen Schlag mit seinem Handrücken gegen den Kopf. Alael konnte dem Schlag zwar ausweichen, sodass er sie nur streifte, aber er besaß noch genug Wucht, um sie gegen eine niedrige, gepolsterte Bank stürzen zu lassen. Das geisterhafte Glühen seiner brennenden Hand warf merkwürdige grünweiße Lichtreflexe auf seinen Körper und sein Gesicht. Er starrte auf sie herunter, ballte die Hand zur Faust und schien sie mit den verschmolzenen Mächten schlagen zu wollen, als eine Tür mit einem lauten Krachen aufflog.
    Nerek drang als Erste in den Raum ein, sprang auf einen mit Büchern übersäten Tisch und starrte den Zerlumpten eine Sekunde an.
    »Du!«
    Der Mann schnaubte verächtlich. »Also erinnerst du dich an unsere kurze Begegnung vor der Kleinen Krönung, Spiegelkind? Wie ich sehe, helfen dir diesmal keine Straßenjungen. Nun, du solltest vorbereitet sein, denn ich bin stärker als vorher.«
    »Ich auch«, gab Nerek zurück und stieß eine Hand vor. Ein blasses Netz aus Macht zuckte aus ihren Fingerspitzen und landete an der Kehle des Mannes. Er rang einige Sekunden damit, bevor es sich auflöste, doch bis dahin standen die Blinde Rina und Osper Trawm bereits neben ihr. Nereks Hände glühten von der Niederen Macht. Der Angreifer lachte nur höhnisch, und Alael hätte fast laut nach der Erden-Mutter gerufen, auf dass sie ihr half. Die einzige Antwort jedoch war eine schmerzende Leere, also rappelte sie sich auf und wollte sich erneut auf ihren Gegner stürzen. Doch bevor sie das konnte, griff eine zitternde Hand hinter Onsivars Schreibtisch nach der Öllampe, die darauf stand, und schleuderte sie auf den Eindringling.
    Das Glas zerbrach, das Öl spritzte heraus und im nächsten Moment stand der Rücken des Eindringlings in Flammen. In dem grellen Licht sah Alael, wie Nerek über das Geländer sprang und ihn mit bloßen Händen angriff. Er dagegen war verzweifelt

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