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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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düsteren Finsternis der sie umgebenden Gärten erhob. Nur die Fackeln zu beiden Seiten des Haupteinganges spendeten Licht. Als sie abstiegen, schwang die Tür auf, und der alte Verwalter trat heraus. »Seid gegrüßt, Lady Alael«, sagte er, als sie auf ihn zu eilte. »Baas Onsivar erwartet Euch bereits.« Sie nickte und sah Ghazrek an, der mit ihr in den kleinen Flur trat. »Ich werde nicht lange brauchen, Herr Hauptmann. Vielleicht muss ich dem Meister der Sprachen einige Fragen stellen, und ich weiß nicht, ob er sie in Eurer Gegenwart beantwortet.«
    Ghazrek warf ihr einen abschätzenden Blick zu. »Ist dieses Gebäude sicher, Mylady? Ich könnte Euch einen Ritter mitgeben …«
    »Es ist ein Kolleg, Hauptmann, ein Ort der Lehre«, erwiderte sie. »Jeder, der mir etwas antun möchte, müsste zuvor an Euch vorbei gelangen, eine schwierige Aufgabe, könnte ich mir denken.«
    »Wie Ihr wünscht, Mylady«, erwiderte er. »Ich sende jede Viertelstunde einen meiner Leute zu Euch hinauf, der sich von Eurem Wohlergehen überzeugen wird.«
    Sie stimmte zu und sah dann den alten Verwalter an, der sie durch eine Seitentür führte. In den Gängen war es kälter als bei ihrem letzten Besuch, und die Stille in den leeren Räumen war beinah unbehaglich. Sie folgte dem Verwalter eine beleuchtete Treppe hinauf und durch eine Tür in das Studierzimmer des Meisters der Sprachen. Nach einem kurzen Klopfen rief eine Stimme: »Herein!«, und Alael wurde hineingescheucht.
    Direkt neben der Tür brannte eine Kerze, die kaum die Bücherregale daneben erhellte. Die einzige andere Beleuchtung war eine Öllampe auf Onsivars Schreibtisch. Er saß diesmal in einem bequemen Sessel mit einer weichen Lehne und Armstützen. Im warmen, gelblichen Licht der Lampe wirkte er alles andere als gesund, und er trug einen dicken, gefütterten Umhang. Auf seinem Tisch stand ein dampfender Becher. »Ah, Lady Alael, bitte kommt zu mir. Vergebt mir meine Gebrechlichkeit, aber die Schwäche meines Körpers ist eine ständige Last…«
    Vorsichtig tastete sie sich durch die Schatten, stieg die drei Stufen zu seiner Plattform hinauf und setzte sich vor ihn. Kerens Buch lag offen vor ihm auf dem Schreibtisch, aber sie schwieg und wartete, bis er begann. »Ja, nun… Mylady, Edrics bescheidene Niederschrift von Stulmars Lehre, vor allem das Sagenlied, das Raegal angeht…« Er drückte mit seiner dürren Hand die Seiten zusammen und hielt mit der anderen eine einzelne Pergamentseite hoch, während er zwischen den beiden hin und her schaute. »Ich musste am Ende nach einem Absolventen des Othazi vom Zunftkolleg schicken, und war mit seiner Hilfe in der Lage, die Übersetzung ohne große Probleme zu beenden.«
    Die Kerze neben der Tür flackerte plötzlich, und ein kalter Lufthauch strich über Alaels Gesicht, aber sie war vollkommen auf den Meister der Sprachen konzentriert.
    »Erklärt es, wie Raegal in das Reich der Dämonenbrut gelangte?«, fragte sie.
    »Ja …ja, es wird erwähnt, wie er sich etwas leiht, was das ›Lied der Zwischenwelt genannt wird, ein merkwürdiger Ausdruck, der, wenn man eine Übersetzung der vorothazischen Ebrun-Zunge zugrunde legt, auch als der ›Stab der Leere‹ übersetzt werden kann. Der wiederum, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, war der uralten Mythologie der Yulari zufolge eines der Geschenke der Nachtkatze an den Sonnentiger. Was es auch gewesen sein mag, Raegal gab es zurück, nachdem sein Abenteuer beendet war. Das Faszinierende an diesem Manuskript ist jedoch, dass es sich um einen Palimpsest handelt…«
    Das ist es!, dachte sie. Das muss es sein …!
    »Gibt es einen Hinweis darauf, wo man diesen Stab finden kann?«
    »Aber ja, Mylady, es gibt sogar eine sehr genaue Lagebezeichnung …« Er hielt inne und zog eine zerfledderte Karte des Kontinents von Toluveraz aus einem Stapel Unterlagen hinter sich. Dann legte er die verblichene, fleckige Karte über Kerens Buch, fuhr mit seinem Zeigefinger über die nordwestliche Küste, und wies dann auf eine Stelle im offenen Meer, über der »Golf von Fandugar« stand. »Ja, etwa hundert Meilen nördlich von Jefren.«
    Ihr Optimismus verflog. »Im … Meer?«
    »Vor vielen Zeitaltern erstreckten sich die Länder von Angathan und Yularia noch viel weiter nach Norden. Ein schreckliches Beben zog diese ganze Region jedoch ins Meer hinab und gestaltete die Nordküste so, wie sie heute ist.« Er zog seinen Umhang fester um sich und tippte auf die Karte. »Wenn Raegal also diesen

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