02 - Schatten-Götter
illusorischen Innenländer besucht hatte. Die meisten waren nicht einmal geneigt, seine Bitte um Hilfe anzuhören, und nicht eine zeigte auch nur den geringsten Funken Verständnis.
Merkwürdigerweise schien der Geist des Vater-Baumes, der in seinem Verstand wohnte, mit dem Ergebnis nicht unzufrieden zu sein. Er schlug vor, dass Tauric sich am Teich ausruhte, während er über all das nachdachte, was er gesehen hatte. Dabei war Ruhe das Letzte, was Tauric benötigte. Er war nicht im Geringsten ermüdet, hatte jedoch trotzdem nachgegeben. Er hoffte, dass es ihm half, die Situation für sich selbst zu durchdenken, wenn er sich entspannte, und seine Gedanken zur Ruhe kamen. Aber statt dessen brütete er nur über die Fehler, die er gemacht hatte, das naive Vertrauen, das er in jene gesetzt hatte, sie sich am Ende als seine erbittersten Feinde entpuppt hatten. War es nicht möglich, dass er denselben Fehler erneut beging?
Ihr habt vollkommen Recht damit, eine solche Frage zu stellen,
sagte der Geist des Vater-Baumes.
Zu meiner Verteidigung kann ich nur sagen, dass ich Euch nicht gegen Euren Willen bedrängt habe und das auch nicht tun werde. Falls ich Euch nicht überzeugen kann, werden wir es beenden.
Woher soll ich wissen, dass Ihr nicht mit meinem … Urteilsvermögen herumgespielt habt und mich geschickt dahin steuert, Eurem Vorschlag zuzustimmen?
Das könnt Ihr nicht, aber ich schwöre Euch bei der Heiligen Leere, dass Euer Verstand Euch allein gehört und unberührt von meiner Hand bleibt.
Verstehe, dachte Tauric und warf seine letzten Zweigstückchen ins Wasser. Wohlan denn, habt Ihr ausreichend über all das nachgedacht, was wir erlebt haben, und seid Ihr zu einem Schluss gekommen?
Ja und ja. Zunächst müssen wir uns an Shondareth wenden und ihn fragen, wie man ein Innerland erschafft.
Tauric erschrak. Seid Ihr sicher?
Alles wird Euch sehr bald klar werden, und es besteht weder eine Gefahr noch ein Risiko. Ihr müsst mir nur vertrauen.
Tauric lachte leise. Einverstanden, dachte er, und sah sich um. Die Hexenmähre zupfte an einigen saftigen Trauben an einem Busch am Rand der Lichtung. Als Tauric aufstand, sah Ghazrek ihn an. »Ganz recht, Majestät, gebt nicht auf«, nuschelte er mit vollem Mund. »Reibt es ihnen unter Ihre rassigen Nüstern, wenn es nicht anders geht…!«
Tauric lächelte, nickte, ging zu Shondareth und stellte ihm die Frage. Die Hexenmähre sah ihn aufmerksam an. »Also gebt Ihr die Vergeblichkeit Eurer Suche zu. Wollt Ihr der Gemeinschaft des inneren Friedens beitreten?« Tauric zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich erst, wenn ich sicher bin, was es mit sich bringt, und was es von mir verlangt.«
»Jedes Innerland ist ein Teil dieses Refugiums, das von der Heiligen Leere geschaffen wird«, erwiderte Shondareth. »Sie wird Euch alles geben, was Ihr verlangt. Wenn Ihr eine Domäne beanspruchen wollt, bahnt einfach einen neuen Pfad durch den Wald, den Ihr hier seht. Das Blattwerk ist gelegentlich ein bisschen widerspenstig, aber sobald ihr Euch hindurchgekämpft habt, werdet Ihr einen schattigen, nebligen Ort erreichen. Was Ihr Euch vorstellen könnt, wird dort für Euch geschaffen.«
Mit diesen Worten drehte die Hexenmähre sich um, trabte zwischen den Bäumen zu einem nahegelegenen Pfad und verschwand.
Tauric ging suchend am Rand des dichten Unterholzes entlang, bis er eine Stelle aus unberührtem Dickicht fand. Der Geist des Vater-Baumes stimmte seiner Wahl zu, also arbeitete er sich durch das hohe Gras, die Ranken und schob sich an Büschen vorbei, die mit spitzen Dornen bewehrt waren. Nach einem längeren Kampf mit diesen Hindernissen, die ihm viele Kratzer einbrachten, trat er auf eine freie Fläche hinaus. Sie lag im Schatten von massiven Bäumen, und in dieser Dunkelheit schwebte ein Nebel, der alle Formen verbarg. »Das muss es sein«, sagte er leise und schüttelte sich unwillkürlich. Sofort bildeten sich Wirbel in dem Nebel, und eine große Gestalt nahm Form an. Ihre Umrisse waren verschwommen, aber ihr Gesicht war vollkommen deutlich. Byrnaks Fratze starrte ihn eine Sekunde an, bevor sie wieder in die geisterhafte Dämmerung zurücktauchte. Tauric fröstelte.
Es scheint geraten, Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten zu lassen und sehr genau bei unseren Schöpfungen vorzugehen …
Links von ihm hob sich die neblige Dämmerung plötzlich, und er schaute über öde, feuchte Felder zu den hohen Mauern einer Stadt am Meer. Elendsviertel drängten sich an die Mauern und
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