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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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deinen Knochen gefangen war. Ahh … du fühlst mich auch, hm? Meine Wut, meinen Hunger, meine Sehnsucht nach Flucht und Vereinigung, und du fühlst, wie ich deine Gedanken fresse … stimmt es?«
    Ystregul würgte einen erstickten Laut heraus, und seine Hand fuhr schwach an die Kehle der Frau. Sie lächelte nur.
    »Welche Kraft, welch gnadenlose Zielstrebigkeit«, sagte sie. »Und nichts davon gehört dir. Wohlan denn, umarmen wir uns, du und ich …«
    Ohne jede Anstrengung hob sie Ystregul vom Boden hoch, der sich schwach wehrte, und stieg gemeinsam mit ihm höher, während sie sich an ihn schmiegte. Eine dunkelgrüne Aura umhüllte sie, ein Schleier, der von schwarzen Punkten durchsetzt war. Windböen fegten durch den Bankettsaal, löschten die Fackeln, ließen die Banner flattern und bauschten die Vorhänge au Stühle fielen um, Kerzen kippten aus ihren Haltern und rollten über den Tisch, und ein Kelch mit einem breiten Fuß neigte sich zur Seite und verspritzte Wein über die Tischplatte.
    Im Zentrum dieses Mahlstroms schienen die beiden Figuren zu verschmelzen. Einige Momente später kehrte Ruhe ein, als eine Gestalt mit einer grünen Aura langsam zu Boden sank. Im nächsten Moment veränderte sich das Grün, nahm die Form von Gewändern an und verfestigte sich schließlich zu einem langen, schwarzen Bärenfell über einer glänzenden roten Rüstung.
    Azurech erschien in einem glitzernden Portal, trat heran und sank auf die Knie.
    »Erhebe dich.«
    Der Hüne gehorchte und blickte hoch. Trotz seiner Größe reichte er dem anderen nicht einmal bis zur Schulter. Azurechs Gesicht zeigte Ehrfurcht und Hingabe, und einen Moment schien er nicht sprechen zu können. »Erhabener Gebieter«, sagte er schließlich. »Seid Ihr ein Gott?«
    Das Gesicht des Schwarzen Priesters lächelte auf ihn herunter. Es trug zwar Ystreguls Züge, doch sein finsterer Blick und sein wildes Lächeln wurden einer bedächtigen Haltung besänftigt.
    »Nein, Azurech. Ich bin kein Gott. Noch nicht.«

25
    Die Glocke schallt mit rostigem Klang,
Und das Wispern der Welt
Schreckt die zerfetzte Nacht auf,
Während blinde Pferde ihrer Beute nachstellen.
    DIE SCHWARZE SAGA VON CULRI MOAL, VI
    In der Nacht, welche auf die Belagerung folgte, drehten die vorherrschenden Winde nach Osten ab und schickten Eisregen über die Stadt. Im Morgengrauen drehten die Winde erneut, und während sich der Himmel zuzog, fielen die Temperaturen. Als Bardow den Palast am Vormittag zu einem Treffen mit der Händlergilde verließ, waren die Straßen des Palastviertels mit Leichen von Menschen und Pferden übersät, die steifgefroren und von Schnee und Eis bedeckt waren. Wenigstens gab es keinen Mangel an freiwilligen Helfern, wie er durch das Kutschfenster sehen konnte. Arbeiter, Zimmerleute, Lehrlinge, ja selbst ganze Familien warfen die gefrorenen Leichen auf Karren, die von den Kais heranrollten.
    Als Bardow fast zwei Stunden später zurückkehrte, war die Zahl der Freiwilligen nochmals angestiegen und viele Spuren der Schlacht beseitigt. Bardow sah das scheue Lächeln auf einigen Gesichtern, was seine Niedergeschlagenheit verstärkte, denn auch die bedeutendsten Kaufleute der Stadt waren ihm vorhin mit ähnlich hoffnungsvollen Gefühlen begegnet. Natürlich bedauerten sie alle Taurics Tod und den der Hexenmähre und versprachen, beiden ein angemessenes Denkmal zu errichten. Aber ihr Triumphgefühl war nur schwer zu übersehen. Ein zweiter Angriff auf Besh-Darok war gescheitert, und da jetzt der Schattenkönig Byrnak im Verlies des Palastes in seinen Ketten schmorte, war doch die schlimmste Gefahr vorbei und alle konnten wieder an ihre Arbeit gehen.
    Bardow hätte gern ihre frohen Illusionen zerstört, indem er die Kaufleute daran erinnerte, dass sie es noch mit vier weiteren Schattenkönigen zu tun hatten, nur hätte ihm ein solches Vorgehen nicht gerade geholfen, wenn er ihnen die Liste der Krone mit dem dringend benötigten Nachschub präsentierte. Stattdessen pries er ihre Bemühungen, wich elegant allen Fragen über Taurics Nachfolge aus und war insgeheim erfreut, als die Kaufleute mehr als die Hälfte der Menge aller Artikel auf der Liste der Krone bewilligten. Während seine Kutsche jetzt zum Platz der Klingen rumpelte, sah er dünne Rauchspuren, die noch immer von den ausgebrannten Gebäuden nördlich des Palastes aufstiegen. Selbst nach Byrnaks Gefangennahme und dem Tod der meisten seiner Befehlshaber hatte es erbitterte Kämpfe in Straßen und Häusern mit

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