02 - Schatten-Götter
Name ist Rakrotherangisal und ich stamme wie mein Eidkusin von den Israganthir ab, welche du die Dämonenbrut nennst. Im Gegensatz zu ihm jedoch bin ich kein Prinz von Geblüt, sondern nicht mehr als ein bloßer Vasall in unserem Schwärm … Jedenfalls war ich es, bevor Häresie mich in dieses Exil geführt hat…«
Bei diesen Worten trat Orgraaleshenoth vor und richtete seinen dunklen, eindringlichen Blick auf sie. Kerens Innerstes erzitterte, doch äußerlich schien sie gelassen und erwiderte ruhig seinen Blick. Zeige keine Schwäche, befahl sie sich. Überlebe!
»Erinnerst du dich noch daran«, sagte er, »dass du mich bei unserer Reise durch den Oshang Dakhal einst gefragt hast, ob du mich jemals wieder abschütteln könntest?«
»Du hast geantwortet: niemals«, gab sie zu.
Ein frostiges Lächeln glitt über das markante Gesicht. »Ich hätte die Frage umkehren sollen, und die Antwort wäre dieselbe gewesen, nur dass ich es weder wusste noch verstanden hätte, bis nach meiner Verbannung durch die Magierfrau Suviel.« Der Prinz der Dämonenbrut schaute sich einen Moment schweigend in dem Verlies um. »Als ich deine Essenz an mich band, um dich auf unserem Weg durch die Stationen der Prüfung zu stärken und zu schützen, vollzog sich eine unumkehrbare Vermischung unserer Essenzen. Nachdem ich mit leeren Händen in das Reich der Ruinen zurückkehrte, begriff ich allmählich, dass nichts mehr so war, wie es einst gewesen ist, und ich empfand eine Ruhelosigkeit, die mir bis dahin unbekannt war.
Ich begann mit den Weisen des Schwanns über unsere unverbrüchliche Treue zum Herrn des Zwielichts zu streiten, verwies darauf, wie wenig Gegenleistungen wir nach all den Zeitaltern der Hingabe bekamen. Man drohte mir damit, meine Schwingen zu stutzen, also zog ich mich an die Grenzen des Reichs der Ruinen zurück, wo sein fadenscheiniges Gewebe gelegentliche Blicke in die Zwischenwelt gewährt. Dort traf ich meinen Kusin Rakrotherangisal und einen merkwürdigen Geist, der behauptete, das Relikt des Vater-Baums zu sein …« Während Keren staunend zuhörte, übernahm die jüngere Dämonenbrut wieder das Wort. »Der Geist des Vater-Baums zeigte uns viele Dinge, doch das Schrecklichste war eine Vision von dem, was geschehen wird, sollte der Herr des Zwielichts triumphieren …« Ein gepeinigter Ausdruck zeigte sich auf seinem Gesicht. »Alle Reiche würden zerbrechen und ihre Reste in der Leere versinken, wo sie zu einer einzigen, sonnenlosen Domäne verschmölzen. Der Herr des Zwielichts selbst würde sich zum Meister über Leben und Tod aufschwingen, alle Überlebenden zu Sklaven seiner Begierden machen, und es gäbe keine Macht, die ihm Grenzen setzen könnte. Wir dürfen nicht gestatten, dass es dazu kommt.«
Keren schaute von der Dämonenbrut zu Domas, der ihr ernst zunickte. Aber das Misstrauen war ein hartnäckiger Gefährte. »Wie sollten wir dem Einhalt gebieten können? Immerhin hat Byrnak Besh-Daroks Mauern zertrümmert. Jedenfalls hat man mir das erzählt…«
»Das stimmt«, bestätigte Rakrotherangisal. »Dennoch sind weder das Kristallauge noch der Mutterkeim in seinem Besitz«, fuhr Keren fort. »Warum nicht? Wie kann das sein?«
»Schattenkönig Byrnak«, fuhr Orgraaleshenoth fort, »existiert nicht mehr. Er wurde von einer Waffe besiegt, die seit einem Jahrtausend nicht mehr geschwungen wurde, einer doppelschneidigen, vereinten Klinge, die seine körperliche Gestalt zwar nicht versehren kann, wohl aber seine Essenz. Byrnak ist bloß noch ein gewöhnlicher Mensch, ein gemeiner Sterblicher, während das Fragment des Gottes, das er in sich trug, in Nerek gefahren ist, die mit ihm auf die Suche nach den anderen Fragmenten gehen musste. Führerlos hat sich das Große Heer des Schattenkönigs nach Gorla und Keshada zurückgezogen, und zur Stunde sind zwei der drei Artefakte in Sicherheit.«
Er sah sie an. Die Nachricht von Nereks Schicksal war niederdrückend für Keren. »Mit dem dritten Artefakt sind wir möglicherweise in der Lage, die Vollendung des Herrn des Zwielichts zu verhindern … Mit allen dreien ist es sogar möglich, ihn in sein eigenes Reich zu bannen.«
»Der Stab der Leere«, sagte Keren. »Seid Ihr deshalb hier? Habt Ihr mich deshalb hergebracht?« »Unter dieser Festung, Keren«, ergriff jetzt Domas das Wort, »erstreckt sich ein gewaltiger Tunnel über eine Meile in die Knochen der Erde. Am Boden befindet sich eine Kammer, wo der Stab der Leere aufbewahrt wird. Der Tunnel selbst
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