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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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mitgenommen.
    Tauric folgte den drei Hütern zu der Treppe, die sich teilte und in zwei Flügeln zum großen Balkon hinaufführte. Sein Gefolge schritt hinterher. Rote, gelbe und blaue Blüten ergossen sich wie ein Wasserfall aus Blättern über die Stufen, und lange, dünne Bahnen aus einem zarten, durchsichtigen Stoff wurden von der Decke entrollt und wehten in der Wärme, die von den erhitzten Leibern der jubelnden Menge aufstieg.
    Schließlich erreichte die kleine Prozession den Sockel des Podiums. Tauric verbeugte sich vor Äbtissin Halimer und reichte ihr das Stierhorn, dann verneigte er sich vor Yasgur und übergab ihm die eiserne Laterne. Der künstliche Arm des jungen Mannes glänzte in dem gelben Licht der Fackeln, und Yasgur starrte einen Moment überrascht die Lampe an, bevor ihm seine nächste Aufgabe in dem Ritual wieder einfiel. Er sank auf ein Knie, und die Hüterin setzte ihm die Blumenkrone auf. Als er aufstand, war es an Tauric, sich vor dem Podest niederzuknien. Alle Hüter schritten zum hinteren Ende der Empore, während zwei kleinere Gestalten vortraten, ein Junge und ein Mädchen, beide etwa zehn Jahre alt. Sie kletterten nervös zum Thron, wo eine große, hölzerne Krone lag. Sie war dunkel, sehr detailliert geschnitzt und hatte den dumpfen Schimmer von Holz angenommen, das über zahllose Jahre durch viele Hände gegangen war.
    Mittlerweile war das Gebrüll der Menge zu einem ehrfürchtigen, rhythmischen Gesang herabgesunken. Die Kinder trugen die Krone vorsichtig zu zweit die Treppe hinunter. Taurics Miene war gelassen, beinah heiter, als er sich nacheinander vor beiden verbeugte. Als er sich wieder aufrichtete, sah Yasgur den kleinen Anhänger, der aus dem zugeknöpften Kragen seines dunkelbraunen Samtwamses herauslugte. Er war nur einen Moment zu sehen, bevor er wieder hineinrutschte, aber Yasgur hatte das sich aufbäumende Pferd aus Bronze erkannt. Dann senkten die Kinder die hölzerne Krone auf Taurics Haupt, was die Menschenmenge mit lautem Jauchzen kommentierte. Als der junge Thronfolger sich zu den jubelnden Tausenden herumdrehte, überlegte Yasgur, warum ihm selbst wohl in diesen sechzehn langen Jahren niemand je zugejubelt hatte.
    Tauric trat an die Brüstung der großen Empore und hob beide Arme, den metallenen und den aus Fleisch und Blut. Flankiert von den beiden Feuerschalen auf ihrem Podest und umrahmt von den Wappenbannern, wirkte Tauric wirklich wie ein Monarch. Nach einer Weile ebbte das Geschrei ab, und er begann zu sprechen. Das war das Stichwort für Yasgur, die Äbtissin und die anderen, sich in die Schatten im hinteren Teil der Empore zurückzuziehen. Dort schlüpfte Yasgur durch die dunklen, schweren Vorhänge in die lange, niedrige Kammer dahinter.
    Er reichte gerade die Blumenkrone und die eiserne Laterne einer Priesterin der Erden-Mutter, als jemand seine Schulter berührte. Es war Ghazrek, sein Freund und Erster Hauptmann, der sehr ernst blickte, als er sich elegant verbeugte.
    »Mein Prinz … Lordkommandeur Yarram ist unerwartet zurückgekehrt. Mit beunruhigenden Nachrichten.« Yasgur schnaubte. »Beunruhigend genug um mich zu stören? Warum geht er nicht zum Palast und erstattet Mazarets Stellvertreter Bericht?«
    »Es hat mit Mazaret zu tun, mein Prinz.«
    Ghazreks ernste Miene veranlasste Yasgur, nachdenklich stehen zu bleiben.
    »Gut. Führ mich zu ihm.«
    Yarram wartete in einem kleinen Raum, der von dem Hauptsaal abging. Er stand unter einem Bogenfenster und betrachtete die Stadt durch das Gitter. Als er sich umdrehte, erkannte Yasgur die Anspannung in seiner Miene und bemerkte auch den Staub und Schmutz auf seiner Kleidung.
    Yarram verbeugte sich. »Lordregent.«
    »Lordkommandeur«, erwiderte Yasgur. »Was führt Euch in solcher Hast nach Besh-Darok zurück?« »Lordregent Yasgur, meine Männer und ich haben vier Tage lang die Briganten gejagt, welche für die vielen Überfälle beiderseits des Buckelgurts verantwortlich sind. Gestern haben wir ihren Anführer gestellt.« Yarram sah Yasgur ruhig an. »Mylord, ich bin kein Mann, der einen Bericht falsch erstattet oder übertreibt, also bitte akzeptiert, dass sich in dem, was ich Euch berichte, keine Ausschmückungen befinden.«
    »Eure Aufrichtigkeit ist mir bekannt, Lordkommandeur. Fahrt fort.«
    »Wir sind den Briganten in den Buckelgurt südwestlich von Besh-Darok gefolgt. Unsere Verfolgung brachte uns zur Furt eines Flusses, der von Schnee und Regen angeschwollen war. Als wir ankamen, mussten wir

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