02 - Schatten-Götter
Er hörte, wie draußen Schreie gellten und dumpfes Poltern, als jemand auf das Dach des Wagens sprang. Im nächsten Moment erschien ein knurrender Mann mit zerzausten Haaren in der quadratischen Öffnung und beugte sich mit einer gespannten Armbrust hinab. Keren hatte sich von dem anderen Fenster abgerollt. Als sie wieder hochsprang, hielt sie einen kleinen, mit Nägeln beschlagenen Schild in der Hand, den sie dem Eindringling ins Gesicht schleuderte.
Der Brigant schrie auf, als das Blut aus seiner zerschmetterten Nase spritzte. Vor Schreck ließ er seine Armbrust los, presste die Hände auf sein verletztes Gesicht und rollte sich laut fluchend von dem Oberlicht weg. Bevor jemand seine Stelle einnehmen konnte, sprang Keren die Leiter hinauf, zog den Deckel zu und rammte die Riegel vor.
»Das ist bereits der dritte Hinterhalt, in den wir geraten«, knurrte Medwin, während er ärgerlich seine Ärmel hochkrempelte.
Gilly nickte. »Bei einem mag es sich um Pech gehandelt haben, und bei dem zweiten um einen Zufall, doch drei zeigen wirklich eine deutliche Abneigung gegen uns …«
Etwas hämmerte auf das Wagendach und Gilly sah hoch. Splitter flogen durch die Luft, als eine Axtschneide sich durch das Holz fraß. Gleichzeitig schlug jemand gegen die hintere Tür, und von draußen hörten sie Kampflärm.
Keren hatte ihr Schwert gezogen, den blutbespritzten Schild über den linken Arm gestreift, und schaute die beiden Männer ein. »Wir bekommen Besuch, werte Herren.«
»Ich glaube, ein warmherziges Willkommen wäre angemessen«, antwortete Gilly grinsend. Er schob den Riegel von der Tür, riss sie auf und stürzte sich nach draußen ins Getümmel. Die Fackeln, die in ihren Haltern am Kutschwagen brannten, warfen einen flackernden, gelblichen Schein auf Trauben von Kämpfenden. Die Angreifer schienen der Eskorte zahlenmäßig überlegen zu sein, aber Redrighs Männer waren hervorragend ausgebildet. Gilly griff einen Mann an, der mit einem gepolsterten Harnisch bekleidet war und eine Keule und ein Rapier schwang, und musste sich im nächsten Moment eines heftigen Wirbels von Schlägen erwehren. Der Brigant hatte sich bronzene Amulette aus Ebro in seinen Bart geflochten und fluchte im Kampf unablässig auf Hethardisch. Gilly wich zurück, grinste und antwortete ihm mit einer Auswahl aus Flüchen, die er vor einigen Monaten in Bereiak aufgeschnappt hatte.
Der Ebroanische Krieger schaute ihn finster an und spie aus, als sein Gesicht vor Zorn rot anlief. Dann stürmte er wutentbrannt vor, worauf Gilly spekuliert hatte. Er duckte sich unter dem wütenden Schlag der Keule weg, wich dem Mann aus und riss ihm die Füße unter dem Körper weg. Der Ebroaner fiel nach vorn auf das Gesicht, und Gilly erledigte ihn mit zwei kraftvollen Schlägen ins Genick.
Er richtete sich auf, holte Luft und sah, wie Medwin einen der Briganten mit einer kalten, blauen Aura zu Boden schmetterte, während um ihn herum Redrighs Männer allmählich die Oberhand gewannen. Da hörte er, wie Keren seinen Namen rief und wirbelte herum. Sie rannte unbewaffnet vor zwei entschlossenen Halunken fort. Gilly verfolgte sie sofort, aber etwas hielt seinen Knöchel fest. Er stürzte und keuchte, als er auf den schneebedeckten Boden fiel. Sein Schwert flog ihm aus der Hand. Er drehte den Kopf und sah einen schwer verletzten Briganten, der mit einer blutigen Axt in der Hand auf ihn zukroch und ihn böse angrinste. »Ich habe keine Zeit für Spiele!«, knurrte Gilly, raffte nassen Schnee auf und schleuderte ihn dem Angreifer ins Gesicht. Er rollte sich zur Seite, sprang auf, trat dem Mann gegen den Kopf, hob sein Schwert auf und setzte die Verfolgung fort.
Außerhalb des Lichtkreises der Wagenfackeln war es stockdunkel. Er hörte das Knacken von Zweigen und Schritte an der Uferböschung, und erkannte einen fahlen, schneebedeckten Pfad, der sich in den dunklen Wald schlängelte. Ohne zu zögern lief er weiter, aber kurz darauf endete der Pfad, und Gilly stolperte zwischen den Bäumen umher. Die undurchdringliche Dunkelheit im Unterholz verbarg die Dornen und Wurzeln, die an Gillys Kleidung rissen und über die er stolperte, als er den schwachen Geräuschen der Jagd folgte. Die Schatten stachelten seine Furcht an, welche die formlose Finsternis mit einer Legion von Ungeheuern bevölkerte. In seiner Vorstellung verwandelte sich das leise Kratzen und Rascheln der winzigen Waldkreaturen zu Bewegungen von Feinden, die ihm nach dem Leben trachteten, in Hände, die sich
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