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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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sprang aus dem Teich und galoppierte wütend über die Lichtung. Sie zog leuchtende Fäden hinter sich her, und ihre Augen glühten in einem reinen Weiß.
    »Wer hat das getan?«, tobte die Hexenmähre. »Welcher Narr hat mich an diesen Ort gezerrt und mir keinen Weg zur Rückkehr offen gelassen…?«
    »Ich war das, ich, Valysia, o mächtiges Himmelspferd«, sagte die alte Frau, der Freudentränen über das Gesicht liefen. »Ich sprach die Worte, die mein Vater mich lehrte, und die von Generationen von Priestern des alten Glaubens übermittelt wurden …«
    »Aber du hast den Rückweg verschlossen, du achtloses Geschöpf!«, erwiderte das Wesen, das die alte Frau ›Himmelspferd‹ nannte, und trabte zu ihr. »Wenn die Akolythen oder ihre Häscher meine Anwesenheit bemerken, werden sie nicht ruhen, bis auch wir letzten Überlebenden niedergemetzelt sind, wie meine Herdenschwestern und Brüder und alle meine Kinder.« Die Gestalt erhob sich drohend vor der geduckten Frau. »Feinde sind überall, selbst hinter diesem Stein dort drüben.«
    Als Gilly das hörte, trat er vor und hob seine leeren Hände etwas an. »He, wartet mal, ich bin kein Freund der Akolythen …«
    Die Hexenmähre schwang den mächtigen Schädel zu ihm herum. »Betrüger!«, kreischte sie. »Was? Aber nein…!«
    »Ich sah, wie du die Armeen der Finsternis geführt hast«, unterbrach ihn die Hexenmähre. »Unser letztes Refugium liegt verborgen hinter den Schleiern des Zwischenreichs, wo Fragmente der Vergangenheit und Zukunft achtlos um uns herunterregnen. Dein Gesicht habe ich bereits gesehen.«
    »Das ist unmöglich!« Gilly war erschüttert und verängstigt. »Ich würde niemals meine Freunde hintergehen und alles verraten, wofür ich gearbeitet und gefochten habe …«
    »Nicht, solange du dich an diese Dinge erinnerst«, widersprach die Hexenmähre. »Aber du wirst sie vergessen …«
    »Gilly!«
    Auf der anderen Seite der Anhöhe sah er Keren, die auf Hände und Knie heruntersank, sich übergab und heftig hustete. Er duckte sich an der Hexenmähre vorbei und lief zwischen den Steinen zu ihr hinüber. Die alte Frau, Valysia, sah ihm finster nach und deutete anklagend mit der Hand auf ihn.
    »Eindringling! Du entweihst diesen heiligen Ort mit deinen Taten!«
    Gilly achtete nicht auf die runzlige Himmelspferd-Priesterin, sondern stürzte an Kerens Seite und half ihr, sich aufzusetzen.
    »Im Namen der Mutter.« Sie rang nach Luft und wischte sich den Mund ab. »Was ist das für ein Ort?« Dann blickte sie hoch, und erkannte voller Staunen die Hexenmähre, die zum Teich zurücktrabte. Ihre Wut war in jedem Schritt zu erkennen.
    »Jetzt haben mich schon zwei Eindringlinge gesehen, Närrin, und bald werden andere ihnen hierher folgen. Du musst eine Tür für mich öffnen … sofort!«
    »Ich weiß nicht, wie.« Die alte Valysia zitterte kläglich. »Man hat es mich niemals gelehrt.« »Ich kann nicht hier bleiben!«, kreischte die Hexenmähre. »Ich darf es nicht! Der Glanz, den du über diesen Ort gewoben hast, wird am Morgen vergehen, und dann werde ich jedem magischen Auge und jedem Spion von hier bis zum Rukang Massiv schutzlos ausgeliefert sein.«
    »Es gibt hier in der Nähe Höhlen«, schlug Valysia vor. »Du könntest dich dort verbergen …« »Es gibt in diesem Land keine Höhlen, die dafür tief genug sind«, unterbrach die Hexenmähre sie wütend. »Du musst eine Verbannung beschwören.«
    Die alte Valysia war entsetzt. »Aber du wärst im Zwischenreich verloren. Das kann ich nicht…« »Du musst es tun! Und du wirst es tun. Benutze diesen Baum als deinen Fokus!« Die Kreatur stieß sie mit ihrem Schädel an. »Tu es!«
    Zitternd gehorchte die Alte.
    Gilly schaute dem Ritual äußerlich ruhig zu, aber seine Gedanken waren von einer bebenden Panik erfasst. Die Worte der Hexenmähre gingen ihm im Kopf herum.
»Ich sah, wie du die Armeen der Finsternis geführt hast… du wirst sie vergessen.«
Sie vermischten sich mit der schmerzverzerrten Prophezeiung von Avalti:
»Ich sehe einen eisernen Fuchs, unsichtbar für die Meute…«
    Die Hilflosigkeit drohte ihn zu überwältigen. Ich liege in den Ketten der Worte von anderen, dachte er, und jetzt reiten mich diese Worte wie jagende Geister.
    Eine schwache Aura umgab den Baum auf der Lichtung, und in der Höhle, die über seine ganze Höhe reichte, zuckten grelle Blitze auf. Valysia kauerte sich zusammen, einen Arm ausgestreckt, schüttelte den Kopf und ließ den Arm wieder sinken. Sie atmete

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