02 - Schatten-Götter
Pferd. Es fand sich auf Wendeltreppen und Säulen, auf schmalen Reliefpaneelen, die sich über eine Wand zogen, oder als Paare lebensgroßer Statuen, die auf Podesten einige Durchgänge und Türen flankierten und sich in wilden, versteinerten Posen aufbäumten. Byrnak blieb vor einer Plastik stehen und wies seine Gäste auf ihren Ausdruck hin.
»Betrachtet diese Augen, meine Freunde. Seht nur, wie sie mit einer unangreifbaren Verachtung auf die Welt hinabschauen. Die beiden Statuen sehen tatsächlich auf uns herunter, als wollten sie jeden einschüchtern, der es wagt, zu ihnen aufzuschauen.« Er musterte die beiden Oberhäuptlinge aus den Augenwinkeln. »Warum tun sie das eurer Meinung nach wohl?«
Welgarak, der größere der beiden, schüttelte bedächtig den Kopf.
»Ich weiß es nicht, Großer Gebieter.«
»Natürlich weißt du es nicht«, erwiderte Byrnak. »Die Geschichte dagegen lehrt, dass der Erbauer dieser Zitadelle von Rauthaz Eingeweihter eines geheimen Himmelspferd-Kultes war. Unglücklicherweise war sein Arbeitgeber König Tynhor der Hohe Priester im Tempel des Nachtbären, damals der offizielle Glaube von Yularia. Als Tynhor herausfand, dass sein Lieblingsbaumeister dem verachteten Himmelspferd-Glauben anhing, ließ er den Mann in seinem Heim vor den Augen seiner Familie abschlachten und übertrug anschließend die Ausschmückung der restlichen Kammern und Korridore einem Baumeister, der ein geschworener Anhänger des Nachtbärenglaubens war. Wie sich herausstellte, war er zwar ein gläubiger Gefolgsmann, aber ein miserabler Handwerker, also hat man nirgendwo in dieser Zitadelle außer in diesem Korridor das Gefühl, unter den Augen eines Gotteswesens zu wandeln.«
Außer in deinem eigenen Schädel, Elender.
Byrnak hätte diesen Einwurf aus seinem eigenen Verstand beinahe mit einem unwilligen Knurren kommentiert, aber er riss sich zusammen und weigerte sich, der Präsenz nachzugeben, von der er besessen war. Statt dessen zwang er sich, vor diesen ungebildeten Dienern, die er zu sich befohlen hatte, Gelassenheit an den Tag zu legen. Die verheerende Schlacht vor Besh-Darok und die anschließenden Ausschreitungen und Exekutionen hatten die Zahl der Mogaun-Armeen drastisch verkleinert und die meisten ihrer Häuptlinge den Kopf gekostet. Einige Stämme waren abtrünnig geworden, aber der größte Teil der übrigen Krieger hatte dem Befehl der Akolythen Folge geleistet, Welgarak und Gordag Gefolgschaft zu schwören. Da die meisten Schamanen der Mogaun ebenfalls tot, verrückt geworden oder geflohen waren, bestand kaum die Gefahr einer Massenrebellion. Byrnak hatte es jedoch auf sich genommen, die beiden Oberhäuptlinge genauer zu prüfen und die Stärke ihrer Loyalität sowie ihre Bereitschaft für die bevorstehende Schlacht auszuloten.
»Wie würdet ihr euch fühlen, wenn man von euch solche Statuen anfertigte?«, fragte er sie. »Wenn ihr eine solche Verehrung hervorrufen würdet?«
Welgarak blinzelte, aber seine Miene blieb grimmig. Der andere, Gordag, der seine einstige Körperfülle verloren hatte und mittlerweile fast abgemagert war, schien von diesem Vorschlag vollkommen überrascht zu sein. Dann lächelte er zögernd.
»Ich … ich weiß es nicht, Großer Gebieter«, sagte er. »Vermutlich wäre ich glücklich.«
»Wenn all unsere Schlachten gewonnen sind«, meinte Byrnak und senkte die Stimme, als würde er Gleichgestellten etwas anvertrauen, »wird ein gewaltiger Schatz aufzuteilen sein, ganz zu schweigen von Ländereien, Titeln und Macht. All das wird der Lohn für Mut und Treue sein.«
Mehr sagte er nicht, sondern winkte sie weiter zu einer Biegung im Korridor. Vor einem gewaltigen Spiegel blieb er stehen. Der Rahmen war kunstvoll so geschnitzt, dass er einem Baum ähnelte, in den Blätter, Ranken und Beeren gewoben waren. In dem Blattwerk versteckten sich an beiden Seiten Kreaturen, Gesichter und Menschen, die daraus hervorlugten. Jedes Mal, wenn er daran vorüberging, glaubte Byrnak neue Einzelheiten in dem Relief zu erkennen.
Der Spiegel war doppelt so hoch wie ein Mann und zeigte den ganzen Korridor hinter den drei Männern, die davor standen. Byrnak trug die Kleidung eines Hochadligen, ein eng sitzendes, mitternachtsblaues Wams mit silberner Stickerei an Ärmeln und Kragen.
Die Oberhäuptlinge wirkten dagegen ungepflegt und ungewaschen, mit schmutzigen Hemden und Hosen. Ihre Pelze waren so verfilzt wir ihre Haare. Ihre Finger zuckten unwillkürlich zu den Griffen ihrer Klingen,
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