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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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dieser Schlange den Kopf abschlagen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«

KAPITEL XVII
    T rotz seiner Verärgerung hielt Cicero sich im gesamten folgenden Monat aus dem öffentlichen Leben fern – was kein Problem war, wie sich herausstellte, da der Senat nicht zusammentrat. Bibulus verkroch sich in seinem Haus und verweigerte jede Aktivität, worauf Caesar erklärte, dass er mit den Volksversammlungen regieren werde, die Vatinius als Volkstribun in seinem Namen einberufen werde. Bibulus konterte, indem er verbreiten ließ, dass er sich ständig auf seinem Dach aufhalte und die Vorzeichen studiere, die jedoch durchweg ungünstig seien, weshalb jegliche öffentlichen Amtsgeschäfte rechtswidrig seien. Caesar wiederum kümmerte sich nicht um die Verlautbarungen des Konsuls, sondern organisierte lautstarke Aufmärsche auf der Straße vor Bibulus’ Haus und betrieb weiter die Verabschiedung seiner Gesetze durch die Volksversammlungen. (Cicero merkte dazu launig an, Rom lebe anscheinend unter dem gemeinsamen Konsulat von Julius und Caesar.) Das hörte sich legitim an: Was konnte schon gerechter sein, als durch das Volk zu reagieren? Tatsächlich war »das Volk« der von Vatinius gesteuerte Pöbel, und jeder, der gegen Caesars Willen aufbegehrte, wurde rasch zum Schweigen gebracht. Rom war – außer dem Namen nach – in jeder Hinsicht zur Diktatur geworden, was höchst honorige Senatoren entsetzte. Da aber Pompeius und Crassus den Kurs von Caesar
stützten, wagten es nur wenige, offen gegen ihn Stellung zu beziehen.
    Cicero hätte es vorgezogen, in seiner Bibliothek zu bleiben und auch weiterhin jedem Ärger aus dem Weg zu gehen. Aber auf dem Höhepunkt der Unruhen, gegen Ende März, kam er nicht umhin, auf dem Forum als Hybridas Anwalt in dessen Hochverratsprozess aufzutreten. Es war ihm höchst unangenehm, dass die Verhandlung auf dem Comitium selbst stattfand, direkt vor dem Senatsgebäude. Die geschwungenen Stufen zur Rostra hinauf, die wie die Sitzplätze in einem Amphitheater aussahen, waren für den Gerichtshof abgesperrt worden. Rundherum hatte sich eine große Menschenmenge versammelt, die gespannt darauf wartete, welche Art von Verteidigung der berühmte Redner für seinen so offenkundig schuldigen Mandanten ausgeheckt hatte. »Tja, Tiro«, flüsterte er mir zu, als ich die Tasche öffnete und ihm seine Unterlagen reichte. »Wenn das nicht der Beweis dafür ist, dass die Götter Sinn für Humor haben  – ich an diesem Ort als der Anwalt dieses Schurken.« Er wandte sich um und lächelte Hybrida zu, der gerade ächzend die Stufen zum Podium heraufkletterte. »Einen guten Morgen, Hybrida. Ich will doch hoffen, dass du dein Versprechen ›Kein Wein zum Frühstück‹ gehalten hast. Wir werden heute beide einen klaren Kopf brauchen.«
    »Natürlich«, sagte Hybrida. Allerdings war an seinem schwankenden Gang und seiner schweren Zunge unschwer zu erkennen, dass er keineswegs so abstinent gewesen war, wie er behauptete.
    Außer mir und den üblichen Schreibern hatte Cicero als Assistenten seinen Schwiegersohn Frugi mitgebracht. Rufus hingegen war lediglich mit einem einzigen Sekretär erschienen, und als ich ihn forschen Schritts das Comitium durchqueren und auf uns zugehen sah, verpuffte das bisschen Zuversicht, das ich gehabt hatte, vollends. Er war noch keine
dreiundzwanzig Jahre alt und hatte gerade ein Jahr im Stab des Statthalters der Provinz Africa hinter sich. Als Jungspund hatte er Rom verlassen, als Mann war er zurückgekehrt. Ich schätzte, dass bereits vor Prozessbeginn allein der Unterschied zwischen dem groß gewachsenen, sonnenverbrannten Anklagevertreter und dem schwabbeligen, abgewirtschafteten Hybrida für ein Dutzend Geschworenenstimmen gut war. Aber auch Cicero kam gegenüber Rufus nicht gut weg. Er war doppelt so alt, und als er auf ihn zuging, um ihm die Hand zu schütteln und viel Erfolg zu wünschen, machte er einen gebückten, verhärmten Eindruck. Die Szene erinnerte mich an ein Wandgemälde in den öffentlichen Bädern, Juventus versus Senex , dahinter die Reihen der sechzig Geschworenen sowie, auf dem Richterstuhl, der hochmütige Prätor Cornelius Lentulus Clodianus.
    Als Erster wurde Rufus aufgerufen, damit er seinen Fall darlegte. Es wurde schnell klar, dass er als Ciceros Schüler aufmerksamer gewesen war, als wir alle gedacht hatten. Seine Anklage ruhte auf fünf Säulen. Erstens: Hybrida hatte seine ganze Energie darauf verwandt, so viel Geld wie nur irgend möglich

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