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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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die erregten Zwischenrufe wieder verstummt waren, dann stand er auf. »Es ist ein Jammer«, sagte er und schüttelte bedauernd den Kopf. »Ein Jammer, in der Tat! Mein junger Freund hier hat nämlich als Vertreter der Anklage bis zu diesem Punkt wirklich keine schlechte Arbeit geleistet. Er war einmal mein Schüler, ehrwürdige Richter, also schmeichle ich mir wohl auch selbst, wenn ich das zugestehe. Unglücklicherweise hat er sich aber jetzt mit dieser wahnwitzigen Anschuldigung den eigenen Fall ruiniert. Ich befürchte, ich werde ihm noch ein paar Nachhilfestunden geben müssen.«
    »Ich weiß, dass es wahr ist, Cicero«, erwiderte Rufus und lächelte jetzt noch breiter. »Weil nämlich du selbst, Cicero, mir davon erzählt hast.«
    Für den Bruchteil eines Augenblicks stutzte Cicero, und entsetzt erkannte ich, dass er diese Unterhaltung mit Rufus, die schon so viele Jahre zurücklag, vergessen hatte. »Du undankbarer Lump!«, platzte es aus ihm heraus. »Niemals habe ich das getan.«
    »In der ersten Woche deines Konsulats«, sagte Rufus, »zwei Tage nach dem Latinerfest hast du mich in dein Haus rufen lassen und mich gefragt, ob Catilina jemals in meiner Gegenwart davon gesprochen habe, dass er dich töten wolle. Du hast mir erzählt, Hybrida habe dir gestanden, dass er bei Catilina auf einen ermordeten Jungen einen Eid geleistet habe, genau das zu tun. Du hast mich darum gebeten, die Ohren offen zu halten.«
    »Das ist eine infame Lüge!«, brüllte Cicero, aber sein wütender Aufschrei vermochte die Wirkung von Rufus’ kühler und präziser Schilderung nicht zu mindern.
    »Dies ist der Mann, dem du als Konsul dein Vertrauen
geschenkt hast«, fuhr Rufus mit eiskalter Gelassenheit fort und deutete auf Hybrida. »Dies ist der Mann, den du dem Volk von Macedonia als Statthalter untergeschoben hast – einen Mann, von dem du wusstest, dass er in einen bestialischen Mord verwickelt war, und der deinen eigenen Tod wünschte. Und dies ist auch der Mann, den du heute verteidigst. Warum?«
    »Ich antworte nicht auf deine Fragen, mein Junge.«
    Rufus ging langsam zu den Geschworenen. »Das ist die Frage, ehrwürdige Richter: Warum zerstört Cicero, ausgerechnet er, der mit der Verfolgung korrupter Statthalter seine Reputation begründet hat, jetzt seinen guten Namen durch die Verteidigung gerade dieses Statthalters?«
    Wieder wandte sich Cicero mit ausgestrecktem Arm an den Prätor. »Clodianus, ich flehe dich an, um der Götter willen, rufe dieses Gericht zur Ordnung. Soll hier mein Mandant befragt werden, oder sollen wir uns hier einen Vortrag über mich anhören?«
    »Das ist wahr, Rufus«, sagte der Prätor. »Deine Fragen müssen sich auf den vorliegenden Fall beziehen.«
    »Aber das tun sie. Mein Fall ist, dass Cicero und Hybrida eine Abmachung hatten.«
    »Dafür gibt es keinen Beweis«, sagte Cicero.
    »Doch, den gibt es«, widersprach Rufus. »Kein Jahr nachdem du Hybrida zum schwer geprüften Volk Macedonias entsandt hattest, hast du dir ein Haus gekauft. Da oben«, sagte Rufus. Er deutete auf Ciceros Anwesen, das auf dem Palatin in der Frühlingssonne schimmerte, worauf alle Geschworenen den Kopf umwandten. »Ein ganz ähnliches Haus ist kurz danach für vierzehn Millionen Sesterze verkauft worden. Vierzehn Millionen! Stellt euch die Frage selbst, ehrwürdige Richter: Woher hatte Cicero, der sich immer seiner bescheidenen Herkunft rühmt, eine solche Summe, wenn nicht von dem Mann, den er zugleich erpresste wie beschützte,
Antonius Hybrida? Stimmt es etwa nicht«, fragte er und wandte sich wieder dem Angeklagten zu, »dass du einen Teil des Geldes, das du deiner Provinz abgepresst hast, an deinen Komplizen in Rom weitergeleitet hast?«
    »Nein, nie«, protestierte Hybrida. »Ich habe Cicero vielleicht das eine oder andere Geschenk geschickt, aber das ist auch schon alles.« (Auf diese Antwort hatten sie sich am Abend zuvor für den Fall verständigt, dass Rufus irgendwelche Beweise dafür vorlegen konnte, dass zwischen ihnen Geld geflossen sei.)
    »Das eine oder andere Geschenk?«, wiederholte Rufus. Übertrieben langsam drehte er sich wieder zu Ciceros Haus und hob die Hand, um die Augen gegen die Sonne zu schützen. Auf der Terrasse war eine Frau mit Sonnenschirm zu sehen, das konnte eigentlich nur Terentia sein. »Ein recht anständiges Geschenk.«
    Cicero saß regungslos da. Er beobachtete Rufus genau. Mehrere Geschworene schüttelten den Kopf. Aus der Menge auf dem Comitium waren Buhrufe zu

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