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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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hören.
    »Ehrwürdige Richter«, sagte Rufus, »ich denke, ich habe meine Argumente deutlich gemacht. Ich habe dargelegt, dass durch Hybridas Fahrlässigkeit, die Hochverrat gleichkommt, für unser Reich eine ganze Region verlorenging. Ich habe ihm Feigheit und Inkompetenz nachgewiesen. Ich habe enthüllt, dass für die Armee bestimmte Gelder in seine Tasche geflossen sind. Die Geister der von ihm im Stich gelassenen und von den Barbaren grausam ermordeten Legionäre schreien nach Gerechtigkeit. Diesem Monstrum hätte man nie eine solch hohe Position anvertrauen dürfen, eine Position, in die er ohne das betrügerische Einverständnis seines Mitkonsuls nie gelangt wäre. Seine Karriere trieft vor Blut und Verdorbenheit – der Mord an diesem Jungen ist nur ein kleiner Teil davon. Es ist zu spät, den Toten ihr Leben zurückzugeben, aber lasst uns zumindest diesen durch und
durch verrotteten Menschen aus Rom entfernen. Schicken wir ihn noch heute Abend ins Exil.«
    Unter langanhaltendem Applaus nahm Rufus Platz. Der Prätor schaute etwas überrascht und fragte, ob der Fall für die Anklage damit abgeschlossen sei. Rufus nickte.
    »Sehr schön. Ich hatte noch mindestens mit einem weiteren Tag gerechnet«, sagte Clodianus und wandte sich an Cicero. »Wünschst du deine Abschlussrede für die Verteidigung jetzt sofort zu halten, oder würdest du es vorziehen, dass das Gericht sich auf morgen vertagt, damit du dich vorbereiten kannst?«
    Als ich Ciceros hochroten Kopf sah, war mir sofort klar, dass er einen schweren Fehler beginge, sollte er sprechen, ohne sich vorher zu beruhigen. Bislang hatte ich in einem für die Schreiber reservierten Bereich unterhalb des Podiums gesessen. Ich war aufgestanden und schon die paar Stufen hinaufgegangen, um ihn eindringlich zu bitten, die Vertagung zu akzeptieren, aber er scheuchte mich wieder weg, bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte. In seinen Augen sah ich ein merkwürdiges Schimmern. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich überhaupt erkannt hatte.
    »Derartigen Lügen macht man am besten gleich den Garaus«, sagte er mit angewiderter Stimme und stand auf. »Man zerquetscht sie wie Küchenschaben, damit sie keine Zeit haben, sich über Nacht zu vermehren.«
    Direkt vor dem Podium des Gerichts war es auch schon vorher voll gewesen, jetzt aber strömten aus allen Ecken des Forums die Menschen auf das Comitium. Ein aufrecht stehender, redender Cicero war eine der großen Attraktionen Roms, niemand wollte sie verpassen. Vom »dreiköpfigen Ungeheuer« war keiner gekommen, aber es waren Stellvertreter anwesend: Balbus für Caesar, Afranius für Pompeius und Arrius für Crassus. Ich hatte keine Zeit mehr, nach anderen bekannten Gesichtern Ausschau zu halten, weil Cicero
schon zu sprechen angefangen hatte, und zückte meinen Griffel.
    »Ich muss gestehen«, sagte er, »der Aussicht, hier vor Gericht zu erscheinen, um meinen alten Freund und Kollegen Antonius Hybrida zu verteidigen, konnte ich keinen großen Reiz abgewinnen. Verpflichtungen wie diese gibt es viele, und sie lasten schwer auf einem Mann, der schon so lange im öffentlichen Leben steht wie ich. Jawohl, Rufus, ›Verpflichtungen‹  … das ist ein Wort, das dir nichts sagt, sonst hättest du mich nicht auf diese Art und Weise angegangen. Doch jetzt ist mir diese Pflicht sogar willkommen, ich genieße sie, ich bin froh über sie – weil sie mich nämlich in die Lage versetzt, etwas auszusprechen, was schon vor Jahren hätte ausgesprochen werden müssen. Ja, ehrwürdige Richter, ich habe gemeinsame Sache mit Hybrida gemacht – ich leugne es nicht. Ich habe ihn ausgesucht. Über die Unterschiede in Lebensstil und Anschauungen habe ich hinweggesehen. Weil ich keine andere Wahl hatte, habe ich sogar über sehr viele Dinge hinweggesehen. Wenn ich in der Lage sein wollte, die Republik zu retten, dann brauchte ich Verbündete, und bei der Frage, woher die kamen, durfte ich nicht sonderlich wählerisch sein.
    Ruft euch diese schreckliche Zeit noch einmal in Erinnerung. Glaubt ihr etwa, dass Catilina allein gehandelt hat? Glaubt ihr, dass ein einzelner Mann, sei er auch noch so tatkräftig und befeuert von der eigenen Verdorbenheit, seine Pläne so weit hätte vorantreiben können, wie Catilina es getan hat, dass er diese Stadt und unsere Republik bis an den Rand des Untergangs hätte treiben können, wenn er nicht mächtige Anhänger gehabt hätte? Und ich meine damit nicht dieses Sammelsurium aus bankrotten Adeligen,

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