02 Titan
habe.
»Natürlich nicht! In meiner wartete sogar eine junge Hure auf mich. Nicht zu fassen, dieser Verfall der Sitten.« Dann schaute er mich an und sagte ungläubig: »Sag jetzt nicht, dass du dich da druntergestellt hast!« Ich lief knallrot an, worauf er laut zu lachen anfing. Über viele Monate hinweg, immer, wenn er mich foppen wollte, bekam ich die Geschichte von Lucullus’ Duschbad zu hören.
Vor dem Essen machte unser Gastgeber eine Führung
durch seinen Palast mit uns. Das Haupthaus hatte vor etwa einhundert Jahren Cornelia gehört, der Mutter der Gracchus – Brüder, und war von Lucullus auf die dreifache Größe erweitert worden – durch Seitenflügel, Terrassen und ein Schwimmbecken, alles aus dem massiven Fels geschlagen. Der Ausblick nach allen Seiten war atemberaubend, die Einrichtung der Räume luxuriös. Wir betraten nun einen von Fackeln erleuchteten Tunnel, dessen glänzende Wandmosaiken die Geschichte von Theseus im Labyrinth erzählten. Stufen führten hinunter zum Meer und dann hinaus auf eine Freifläche direkt über den Wellen. Hier befand sich Lucullus’ besonderer Stolz – zahllose von Menschenhand geschaffene Becken mit allen Fischarten, die man sich vorstellen kann, darunter riesige, mit Edelsteinen geschmückte Muränen, die auf seinen Zuruf hin angeschwommen kamen. Er kniete sich am Rand auf den Boden, und ein Sklave reichte ihm einen silbernen Eimer mit Futter, das er vorsichtig ins Wasser rieseln ließ. Sofort verwandelte sich die Wasseroberfläche in einen schäumenden Strudel aus glatten und kraftvollen Leibern. »Sie haben alle Namen«, sagte er und deutete auf eine besonders fette und widerwärtige Kreatur mit goldenen Ringen an den Flossen. »Der da heißt Pompeius.«
Cicero lachte höflich. »Wem gehört die Villa da drüben?«, fragte er und nickte übers Wasser zu einem anderen riesigen Anwesen, wo man ebenfalls Fischteiche angelegt hatte.
»Die gehört Hortensius. Er denkt, dass er bessere Fische züchten kann als ich, aber das schafft er nie. Gute Nacht, Pompeius«, sagte er mit zärtlicher Stimme. »Schlaf gut.«
Als ich schon dachte, wir hätten alles gesehen, kam der Höhepunkt, den uns Lucullus für zuletzt aufgehoben hatte. Nach oben nahmen wir einen anderen Weg, über eine breite Treppe in einem Tunnel, der unter dem Haus in das tropfende Felsgestein geschlagen worden war. Wir passierten mehrere schwere Eisentore, an denen Wachposten standen,
bis wir schließlich eine Reihe von Kammern erreichten, die alle mit den Schätzen angefüllt waren, die Lucullus aus dem Mithridatischen Krieg mit zurückgebracht hatte. Diener leuchteten mit Fackeln über die funkelnden Berge aus juwelenbesetzten Rüstungen, Schilden, Esstellern, Trinkbechern, Schöpfkellen, Waschschüsseln, goldenen Stühlen und goldenen Sofas. Ich sah schwere Silberbarren, Truhen mit Millionen von winzigen Silbermünzen und eine mehr als sechs Fuß hohe goldene Statue von Mithridates. Unsere Ausrufe des Staunens wurden mit der Zeit immer leiser. Die Reichtümer hatten eine abstumpfende Wirkung. Dann, als wir in den Tunnel zurückkehrten, hörten wir plötzlich ein sehr schwaches, scharrendes Geräusch, das von irgendwo ganz in der Nähe kam. Erst dachte ich, es stammte von Ratten, aber dann sagte Lucullus, das seien sechzig Gefangene, Freunde von Mithridates und einige seiner Generäle, die er seit fünf Jahren für seinen Triumph bereithielt und die am Ende der Parade erdrosselt werden würden.
Cicero hielt sich die Hand vor den Mund und räusperte sich. »Nun, Imperator, der Triumph ist der eigentliche Anlass für meinen Besuch.«
»Das hatte ich schon vermutet«, sagte Lucullus, und im Schein der Fackel sah ich, wie die Andeutung eines Lächelns über sein fleischiges Gesicht huschte. »Hungrig? Dann lasst uns essen.«
Natürlich speisten wir Meeresfrüchte – Austern und Wolfsbarsche, Krabben und Aale, Meeräschen und Meerbarben. Das war alles zu üppig für mich, ich war an einfachere Kost gewöhnt und aß nur wenig. Ich sagte auch kein einziges Wort während des Essens, sondern wahrte einen feinen Abstand zwischen mir und den anderen Gästen, um zu zeigen,
dass ich mir der besonderen Gunst meiner Anwesenheit bewusst war. Die Sextus-Brüder aßen gierig, und von Zeit zu Zeit stand einer der beiden auf, ging in den Garten und übergab sich geräuschvoll, um Platz für den nächsten Gang zu schaffen. Cicero hielt sich wie immer zurück, während Lucullus pausenlos kaute und schluckte, die
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