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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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passenden Kandidaten zur Hand hätte.«
    »Das habe ich mir fast gedacht«, sagte Lucullus mit einem zynischen Lächeln. »Und da hast du deinen alten Verbündeten Servius im Auge.«
    »Ach was. Nicht Servius. Der alberne Trottel hat nicht die geringste Chance. Nein, ich denke an deinen alten Legaten und früheren Waffenbruder … Lucius Murena.«
    So sehr ich die Drehungen und Wendungen von Ciceros Kriegslisten auch gewohnt war, so war es mir doch nie in den Sinn gekommen, dass er Servius so bereitwillig fallenlassen würde. Einen Augenblick lang glaubte ich, meinen Ohren nicht zu trauen. Lucullus schaute genauso überrascht. »Ich dachte immer, Servius wäre einer deiner engsten Freunde.«
    »Hier geht es um die römische Republik und nicht um Kungelei unter Freunden. Natürlich drängt mich mein Herz, für Servius zu stimmen. Aber mein Kopf sagt mir, dass er Catilina nicht schlagen kann. Wohingegen Murena es mit deiner Unterstützung gerade so schaffen könnte.«
    Lucullus runzelte die Stirn. »Ich habe da ein Problem mit Murena. Sein Adjutant und engster Vertrauter in Gallia Transalpina ist mein früherer Schwager, ein verdorbenes Monstrum, ein Mann, der mir so widerwärtig ist, dass ich mich weigere, auch nur seinen Namen auszusprechen.«
    »Nun, dann spreche ich ihn für dich aus. Clodius ist kein Mann, für den ich selbst irgendwelche Sympathien hege. Aber in der Politik kann man sich seine Feinde eben nicht immer aussuchen, geschweige denn seine Freunde. Um die Republik zu retten, muss ich einen alten und lieben Freund im Stich lassen. Und du musst dich, um die Republik zu retten, mit dem Verbündeten deines ärgsten Widersachers zusammentun.« Er beugte sich über den Tisch und fügte leise hinzu: »So ist die Politik, Imperator, und sollte jemals der Tag kommen, an dem uns der Mumm für dieses Geschäft abhandenkommt, dann sollten wir uns aus dem öffentlichen Leben zurückziehen … und lieber Fische züchten!«
    Einen Augenblick lang fürchtete ich, er sei zu weit gegangen. Lucullus warf seine Serviette auf den Tisch und rief aufgebracht, dass er sich nicht dazu erpressen lasse, seine Grundsätze zu verraten. Aber wie üblich hatte Cicero sein Gegenüber richtig eingeschätzt. Er ließ Lucullus eine Zeit lang wüten, und dann, als dieser sich ausgetobt hatte, sagte er
immer noch nichts, sondern schaute nur hinaus auf die Bucht und nippte an seinem Wein. Das Schweigen schien sich ewig hinzuziehen. Der Mond warf einen silbern schimmernden Pfad auf das Wasser. Schließlich sagte Lucullus mit einer Stimme, die seinen Zorn nur mühsam verbergen konnte, dass Murena, wenn er denn gewillt sei, sich beraten zu lassen, sicher einen ganz anständigen Konsul abgeben würde, worauf Cicero ihm versprach, das Thema Triumph sofort nach Ende der Frühjahrspause dem Senat vorzulegen.
    Da nun niemandem mehr der Sinn nach weiteren Gesprächen stand, zogen wir uns alle früh auf unsere Zimmer zurück. Ich hatte noch nicht lange die Tür hinter mir geschlossen, als ich ein leises Klopfen hörte. Ich machte auf, und vor mir stand Agathe. Sie kam ohne ein Wort ins Zimmer. Ich nahm an, sie sei von Lucullus’ Hausverwalter geschickt worden, und sagte ihr, ich brauche nichts mehr. Aber sie legte sich in mein Bett und versicherte mir, sie sei aus freien Stücken gekommen. Also legte ich mich zu ihr. Zwischen unseren Liebkosungen erzählte sie mir von sich – wie ihre inzwischen gestorbenen Eltern als Teil von Lucullus’ Kriegsbeute aus dem Osten hierhergekommen seien und dass sie sich nur noch verschwommen an das Dorf in Griechenland erinnere, wo sie einmal gelebt hatten. Sie hätte erst in der Küche gearbeitet, kümmere sich jetzt um die Gäste des Imperators und würde später, wenn ihre Jugend verblüht sei, sicher wieder in die Küche zurückkehren – wenn sie Glück habe. Wenn nicht, dann würde sie auf den Feldern landen und einen frühen Tod sterben. Sie sprach von alldem ohne jedes Selbstmitleid, so als erzähle sie vom Leben eines Pferdes oder eines Hundes. Cato nannte sich einen Stoiker, dachte ich, aber dieses Mädchen war eine wahre Stoikerin, sie nahm ihr Schicksal mit einem Lächeln und wappnete sich gegen die Verzweiflung durch ihre Würde. Als ich das sagte, lachte sie nur.
    »Komm her, Tiro«, sagte sie und breitete einladend die Arme aus. »Schluss mit den ernsten Worten. Meine Lebensanschauung ist ganz einfach: Genieße die kurzen Momente der Ekstase, welche die Götter uns gewähren, denn nur in diesen

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