02 Titan
einbringen. Cato wird es unterstützen, und Gleiches erwarte ich auch von dir – andernfalls wird das Land seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen.«
»Typisch Servius – redet immer wie ein Rechtsanwalt, nie wie ein Politiker. Verstehst du denn nicht? Wenn die Leute sehen, dass du dich damit beschäftigst, Beweise für deine Anklage anstatt Wählerstimmen zu sammeln, dann denken sie, dass du schon alle Hoffnung aufgegeben hast. Nichts ist im Wahlkampf verheerender als der Eindruck, man sei sich seiner Sache nicht sicher.«
»Sollen sie doch denken, was sie wollen. Die Gerichte werden entscheiden. Dafür sind sie da.«
Die beiden Männer schieden im Bösen. Dennoch hatte Servius in einem Punkt Recht: Cicero konnte es sich als Konsul kaum erlauben, den Eindruck zu erwecken, er billige Bestechung. Wenn Servius und Cato am nächsten Tag ihr Gesetz zur Reformierung der Wahlkampffinanzierung vorlegten, war er gezwungen, es zu unterstützen.
Wahlkämpfe dauerten in der Regel vier Wochen: Dieser zog sich über acht hin. Erstaunliche Summen wurden dafür ausgegeben. Die Patrizier zahlten alle in eine Kriegskasse, um Silanus’ Wahlkampf zu finanzieren. Catilina wurde finanziell von Crassus unterstützt. Murena erhielt eine Million Sesterze von Lucullus. Nur Servius legte Wert darauf, überhaupt nichts auszugeben, sondern zog mit langem Gesicht durch die Gegend und ließ von Cato und einer ganzen Mannschaft von Schreibern jeden Fall rechtswidriger Ausgaben festhalten. Währenddessen trafen nach und nach
Lucullus’ Veteranen in Rom ein. Tagsüber lagerten sie draußen auf dem Marsfeld, abends strömten sie dann in die Tavernen, Spielhöllen und Bordelle der Stadt. Catilina reagierte darauf mit der Mobilisierung seiner eigenen Anhänger, die hauptsächlich aus dem Nordwesten kamen, vor allem aus Etrurien – zerlumpte, gewalttätige Gestalten, die aus den vorzeitlichen Wäldern und Sümpfen dieser archaischen Region einfielen: Viehhüter, Straßenräuber, ehemalige Legionäre. Publius Cornelius Sulla, Sohn des früheren Diktators und Anhänger Catilinas, heuerte eine Truppe Gladiatoren an, angeblich zur Unterhaltung, in Wahrheit aber zur Einschüchterung. An der Spitze dieses finsteren Haufens aus Berufs- und Amateurkämpfern stand der ehemalige Centurio Gaius Manlius, der seine Leute auf den Wiesen jenseits des Flusses gegenüber dem Marsfeld trainierte. Es kam zu fürchterlichen Kleinkriegen zwischen den beiden Parteien. Männer wurden zu Tode geknüppelt, andere ertränkt. Als Cato im Senat während seiner Rede zur Unterstützung von Servius’ Gesetz Catilina beschuldigte, diese Gewalttätigkeiten angezettelt zu haben, erhob sich dieser von seinem Platz.
»Wenn man ein Feuer legt, um meine Besitztümer zu zerstören«, sagte er sehr bedachtsam und schaute dabei Cicero an, »dann werde ich es ersticken – nicht mit Wasser, sondern mit Zerstörung.«
Erst herrschte Stille, dann, als die Bedeutung seiner Worte den Senatoren langsam bewusst wurde, erhob sich ein Chor aus »Oh!« und »Ah!«, der die ganze Kammer erfasste. Zum ersten Mal hatte sich Catilina öffentlich erklärt. Ich protokollierte die Debatte in Kurzschrift von meinem üblichen Platz aus, links unterhalb von Cicero, der auf seinem kurulischen Stuhl saß. Er erkannte sofort seine Chance, stand auf und bat mit erhobener Hand um Ruhe.
»Senatoren Roms, es handelt sich hier um eine schwerwiegende
Angelegenheit. Es sollten keinerlei Missverständnisse aufkommen bezüglich dessen, was wir gerade gehört haben. – Schreiber, wiederhole der Kammer noch einmal die Worte von Sergius Catilina.«
Ich hatte gar keine Zeit, um nervös zu werden. Zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben richtete ich das Wort an den Senat der römischen Republik: »›Wenn man ein Feuer legt, um meine Besitztümer zu zerstören‹«, las ich aus meinen Notizen vor, »›dann werde ich es ersticken – nicht mit Wasser, sondern mit Zerstörung.‹«
Ich sprach so laut, wie ich konnte, und setzte mich dann sofort wieder hin. Mein Herz klopfte so heftig, dass ich glaubte, am ganzen Leib zu zittern. Catilina, der immer noch mit leicht zur Seite geneigtem Kopf vor seinem Platz stand, schaute Cicero mit einem Gesichtsausdruck an, den ich nur schwer beschreiben kann – es lag höhnische Überheblichkeit darin, auch Verachtung, natürlich glühender Hass, vielleicht sogar ein Hauch Furcht und der Funke Panik, der einen verzweifelten Menschen zu verzweifelten Taten treiben
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