02 Titan
konnte. Cicero hatte erreicht, was er wollte, und bedeutete Cato mit einer Handbewegung, dass er mit seiner Rede fortfahren könne. Nur ich saß so nah bei ihm, dass ich das Zittern seiner Hand sehen konnte. »Marcus Cato hat immer noch das Wort«, sagte er.
Am Abend desselben Tages sagte Cicero zu Terentia, sie solle ihre hochkarätige Informantin, die Geliebte von Curius, darum bitten, herauszufinden, was Catilina genau gemeint habe. »Offenbar ist ihm klargeworden, dass er die Wahl nicht gewinnen kann. Das ist eine gefährliche Situation. Vielleicht hat er vor, die Abstimmung zu sabotieren. ›Zerstörung!‹ Versuch herauszubekommen, warum er ausgerechnet dieses Wort verwendet hat.«
Lucullus’ Triumph sollte am nächsten Tag stattfinden, und Quintus war angesichts der Stimmung in der Stadt natürlich
um Ciceros Sicherheit besorgt. Eine Verlegung der Route war ausgeschlossen, sie war festgelegt durch feierliche Tradition. Daran war nichts zu ändern. Menschenmassen würden sich durch die Straßen wälzen. Es bedurfte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie ein Mann aus der Menge sprang, ein Messer in den Körper des Konsuls rammte und wieder im Gedränge verschwand. »So ist das nun mal«, sagte Cicero. »Daran kann man nichts ändern. Einen zu allem entschlossenen Attentäter kann man kaum aufhalten, besonders wenn er dabei den eigenen Tod in Kauf nimmt. Wir können nur auf die Vorsehung vertrauen.«
»Und auf die Sextus-Brüder«, fügte Quintus hinzu.
Am nächsten Tag führte Cicero in aller Frühe den gesamten Senat zur Villa Publica auf das Marsfeld, wo Lucullus logierte und darauf wartete, in die Stadt einzuziehen. Im Park des Gebäudes hatten seine Veteranen ihre Zelte aufgeschlagen. Mit der für ihn typischen Arroganz ließ er die Delegation ziemlich lange warten, bis er schließlich ins Freie trat – eine pompös herausgeputzte Erscheinung, gehüllt in goldene Gewänder, das Gesicht mit rotem Zinnober gefärbt. Cicero trug die offizielle Erklärung des Senats vor und überreichte den Lorbeerkranz. Lucullus hielt ihn hoch in die Luft, drehte sich unter dem Jubel seiner Veteranen einmal langsam im Kreis und setzte sich den Kranz dann vorsichtig auf den Kopf. Weil ich jetzt zu den Mitarbeitern der Staatskasse gehörte, hatte man auch mir einen Platz in der Parade zugewiesen – hinter den Beamten und Senatoren, aber vor der Kriegsbeute und den Gefangenen, unter denen sich einige Verwandte von Mithridates, ein paar unwichtigere Prinzen und eine Handvoll Generäle befanden. Wir zogen durch den Triumphbogen in Rom ein. Woran ich mich vor allem erinnere: die drückende Sommerhitze, die weit hinter uns wie ein fernes Donnergrollen dröhnenden Schritte der Legionäre, die verschwommenen Gesichter der Menschen in
den Straßen und den Gestank der Tiere – der Ochsen und Maultiere, die all das Gold und die Kunstwerke zogen und trugen, und deren Ächzen und Brüllen sich mit den Jubelrufen der Zuschauer vermengten. Es war ziemlich abstoßend, das muss ich zugeben, die ganze Stadt stank und kreischte wie ein Vivarium, und am schlimmsten war es, als wir den Circus Maximus hinter uns gelassen hatten und wieder in die Via Sacra zum Forum einbogen, wo wir ausharren mussten, bis der Rest der Prozession eingetroffen war. Vor dem Carcer Tullianus stand der amtliche Scharfrichter mit seinen Helfern. Er war ein ausgebildeter Schlächter, und so sah er auch aus, untersetzt und breitschultrig, mit einer ledernen Schürze. Dort herrschte das dichteste Gedränge, wie immer lockte der schaudernde Kitzel des Todes die meisten Menschen an. Die elenden Gefangenen, die am Nacken an ein Joch gekettet waren und deren Gesichter nach all den Jahren in der Dunkelheit von der Sonne verbrannt waren, gingen einer nach dem anderen die Stufen zum Scharfrichter hinauf, der sie dann hinunter in den Carcer führte und erdrosselte. Obwohl dies außerhalb unseres Blickfelds geschah, fiel mir auf, dass Cicero sich abgewandt hatte und mit starrem Gesicht auf Hybrida einredete. Ein paar Reihen hinter uns stand Catilina und beobachtete Cicero mit fast wollüstigem Interesse.
Das sind meine hervorstechendsten Erinnerungen an diesen Tag, allerdings scheint in diesem Zusammenhang noch ein weiteres Bild auf, von dem ich berichten muss. Als Lucullus auf seinem Triumphwagen das Forum überquerte, ritt hinter ihm Murena, der seine Provinz der Obhut seines Bruders überlassen hatte und rechtzeitig zur Wahl in Rom eingetroffen war. Die
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