02 Titan
Senat auf der Würde des Volkes herumtrampeln, indem er seine Repräsentanten ermordet, dann wird das Volk sich rächen, egal, wie lange es dauert.«
»Und du glaubst wirklich, es befördert die Würde des Volkes, einen wehrlosen alten Mann zu terrorisieren? Ich komme gerade von Rabirius. Das Alter hat seinen Verstand vollends zerrüttet. Er hat keine Ahnung, was hier vorgeht.«
»Wenn er keine Ahnung hat, was hier vorgeht, wie kann man ihn dann terrorisieren?«
Es entstand eine lange Pause, dann sagte Cicero in verändertem Tonfall: »Mein lieber Gaius, wir sind seit vielen Jahren gute Freunde.« (Für meinen Geschmack trug er ein bisschen zu dick auf.) »Darf ich dir einen freundschaftlichen Rat geben, wie unter Brüdern, vom Älteren für den Jüngeren? Du hast eine glänzende Karriere vor dir. Du bist jung …«
»So jung nun auch nicht mehr! Ich bin jetzt schon drei Jahre älter als Alexander der Große bei seinem Tod.«
Cicero lachte höflich, er glaubte, Caesar mache sich lustig. »Du bist jung«, wiederholte er. »Du hast einen herausragenden Ruf. Warum willst du den aufs Spiel setzen, indem du eine derartige Konfrontation heraufbeschwörst? Die Hinrichtung von Rabirius wird nicht nur das Volk gegen den Senat aufbringen, sie wird auch deine Ehre beflecken. Den Pöbel magst du heute damit beeindrucken können, aber morgen wird das bei allen vernünftigen Menschen gegen dich sprechen.«
»Das Risiko gehe ich ein.«
»Dir ist klar, dass ich als Konsul verpflichtet bin, Rabirius zu verteidigen?«
»Nun, Marcus, das wäre ein schwerwiegender Fehler – wenn ich dir meinerseits einen freundschaftlichen Rat geben darf. Bedenke die Machtverhältnisse, die gegen dich stehen werden. Wir haben die Unterstützung des Volkes, der Volkstribunen, der Hälfte der Prätoren – tja, sogar Antonius Hybrida, dein Mitkonsul, steht auf unserer Seite. Wer bleibt da noch für dich? Die Patrizier? Sie verachten dich. In dem
Augenblick, in dem du ihnen nicht mehr von Nutzen bist, lassen sie dich fallen. So wie ich das sehe, hast du nur eine Wahl.«
»Und die wäre?«
»Schließe dich uns an.«
»Ah.« Wenn er jemanden abwägend betrachtete, hatte Cicero die Angewohnheit, das Kinn auf die Hand zu stützen. Auf diese Art studierte er Caesar eine Weile. »Und was hätte ich dann zu tun?«
»Unterstütze unser Gesetz.«
»Und was springt dabei für mich heraus?«
»Ich darf wohl zusagen, dass mein Neffe und ich gewillt sind, angesichts des beeinträchtigten Geisteszustands unseres armen Rabirius’ etwas Mitgefühl zu zeigen.« Caesar lächelte schmallippig, aber seine dunklen Augen waren unverändert starr auf Cicero gerichtet. »Und? Was sagst du?«
Bevor Cicero antworten konnte, wurden wir unterbrochen. Caesars Frau Pompeia kam nach Hause. Manche behaupten, Caesar habe sie ausschließlich auf Drängen seiner Mutter geheiratet, wegen ihrer nützlichen Familienverbindungen in den Senat. Nach dem zu urteilen, was ich an jenem Nachmittag sah, würde ich jedoch sagen, dass ihre Reize in einem augenfälligeren Bereich lagen. Sie war deutlich jünger als er, kaum zwanzig, und die Kälte hatte ihrem Hals und ihren Wangen eine bezaubernde rötliche Farbe und ihren grau schimmernden großen Augen ein Leuchten verliehen. Sie umarmte ihren Mann, wobei sie sich wie eine Katze an ihn schmiegte. Cicero begrüßte sie fast ebenso exaltiert, sie schmeichelte ihm wegen seiner Reden und eines Bandes seiner Dichtkunst, den sie behauptete, gelesen zu haben. Ich hatte den Eindruck, dass sie betrunken war. Caesar betrachtete sie amüsiert.
»Mama will dich sehen«, sagte er, worauf sie eine Schnute wie ein Schulmädchen zog. »Nun los, geh schon zu ihr«,
sagte er gebieterisch. »Und mach nicht so ein säuerliches Gesicht. Du weißt doch, wie sie ist.« Und dann schickte er sie mit einem Klaps auf den Hintern hinaus.
»So viele Frauen«, bemerkte Cicero trocken. »Durch welche Tür schlüpft wohl die nächste rein?«
Caesar lachte. »Ich fürchte, du nimmst eine schlechte Meinung von mir mit nach Hause.«
»Ich kann dir versichern, an meiner Meinung hat sich nicht das Geringste geändert.«
»Also dann, sind wir uns einig?«
»Das hängt vom Inhalt eures Gesetzes ab. Außer Wahlkampfsprüchen ist mir noch nichts bekannt. ›Land für die Landlosen.‹ ›Essen für die Hungrigen.‹ Ein paar Einzelheiten mehr brauche ich schon. Und ein paar Zugeständnisse vielleicht auch.«
Caesar reagierte nicht. Sein Gesichtsausdruck war leer.
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