Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
warne euch. Meine Tage im Konsulat neigen sich dem Ende zu. Nehmt mir nicht den Mann, der mir mit seiner Umsicht nachfolgen soll.« Er legte seine Hand auf Murenas Schulter. »Nehmt mir nicht den Mann, dem ich unsere Republik in unversehrtem Zustand übergeben will und der sie gegen diese tödlichen Gefahren verteidigen muss.«
    Er sprach drei Stunden und hielt nur gelegentlich inne, um einen Schluck verdünnten Wein zu trinken oder sich den Regen aus dem Gesicht zu wischen. Mit zunehmender Dauer wurde seine Rede immer zupackender. Er erinnerte mich an einen kräftigen, anmutigen Fisch, den man, vermeintlich tot, wieder ins Wasser geworfen hatte und der zuerst träge und mit dem Bauch nach oben dahintreibt – bis er dann plötzlich, seinem natürlichen Element zurückgegeben, mit der Schwanzflosse schlägt und wieder zum Leben erwacht. Auf die gleiche Weise sog Cicero aus der bloßen Tätigkeit des Sprechens immer mehr Kraft und beendete seine Rede unter dem Beifall nicht nur der Menge, sondern auch der Geschworenen. Das sollte sich als gutes Omen erweisen: Nach Auszählung der Stimmen stand fest, dass Murena mit großer Mehrheit freigesprochen worden war. Cato und Servius waren so deprimiert, dass sie den Ort der Niederlage sofort verließen. Cicero blieb noch so lange auf der Rostra, bis er dem designierten Konsul gratuliert und Hortensius, Clodius und sogar Crassus Gelegenheit gegeben hatte, ihm auf die Schultern zu klopfen, dann machten wir uns auf den Weg nach Hause.
    Als wir in unsere Straße einbogen, sahen wir, dass vor dem Haus eine elegante Kutsche stand, die, wie wir beim Näherkommen erkennen konnten, bis unters Dach mit Silbergeschirr, Statuen, Teppichen und Bildern vollgepackt war. Dahinter stand ein ebenfalls voll beladener Wagen. Cicero
ging schneller. Gleich hinter der Eingangstür wartete schon Sanga auf uns. Sein Gesicht war grau wie eine Auster.
    »Und?«, fragte Cicero.
    »Die Verschwörer haben die Briefe geschrieben.«
    »Hervorragend!« Cicero klatschte lachend in die Hände. »Wann kann ich sie sehen? Hast du sie schon dabei?«
    »Moment, Konsul. Das ist noch nicht alles. Die Gallier haben die Briefe noch nicht in Händen. Man hat ihnen gesagt, sie sollen sich um Mitternacht an der Porta Fontinalis bereithalten, reisefertig, damit sie die Stadt gleich verlassen können. Dort werden sie einen Mann treffen, der ihnen die Briefe übergibt und sie aus der Stadt eskortiert.«
    »Wofür brauchen die Gallier eine Eskorte?«
    »Der Mann soll sie zu Catilina bringen. Und von Catilinas Lager sollen sie auf direktem Weg nach Gallien weiterreisen.«
    »Bei allen Göttern, wenn wir die Briefe in die Finger bekommen, dann haben wir sie endlich!« Cicero schritt in dem schmalen Flur auf und ab. »Wir müssen einen Hinterhalt legen und bei der Übergabe zuschlagen«, sagte er zu mir. »Quintus und Atticus sollen kommen.«
    »Wir brauchen Soldaten«, sagte ich. »Und einen erfahrenen Mann, der sie befehligt.«
    »Und dem ich rückhaltlos vertrauen kann.«
    Ich zückte Notiztafel und Griffel. »Vielleicht Flaccus? Oder Pomptinus?« Beide waren Prätoren mit langer Erfahrung in den Legionen, und beide hatten sich während der ganzen Krise als charakterfest erwiesen.
    »Gut. Beide sollen sofort herkommen.«
    »Und die Soldaten?«
    »Wir könnten die Zenturie aus Reata nehmen. Die ist noch in ihrer Kaserne. Aber kein Wort über die Mission, noch nicht.«
    Er rief Sositheus und Laurea und gab schnell die nötigen
Anweisungen. Als er sich wieder umdrehte, war der Flur leer, die Haustür stand offen, und die Straße lag verlassen da. Der gallische Senator hatte sich aus dem Staub gemacht.

    Binnen einer Stunde waren Quintus und Atticus eingetroffen, kurz danach erschienen auch die beiden Prätoren, denen die Verwunderung über die dramatische Einbestellung ins Gesicht geschrieben stand. Cicero nannte keine Einzelheiten, sondern sagte ihnen nur, er habe die Information erhalten, dass eine Gesandtschaft Gallier beabsichtige, zusammen mit einer Eskorte um Mitternacht die Stadt zu verlassen, und er habe Grund zu der Annahme, dass sie Catilina belastende Dokumente überbringen wollten. »Wir müssen sie um jeden Preis aufhalten, aber wir dürfen erst zugreifen, wenn kein Zweifel mehr besteht, dass sie die Stadt auch wirklich verlassen.«
    »Meiner Erfahrung nach ist ein Hinterhalt bei Nacht immer komplizierter, als sich das vorher anhört«, sagte Quintus. »Im Dunkeln können sich immer welche aus dem Staub machen,

Weitere Kostenlose Bücher