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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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genommen und winkte einen Soldaten mit einer Fackel herbei, damit er mir leuchtete und ich die Tasche durchsuchen konnte. Sie enthielt sechs Briefe, alle mit unverletztem Siegel.
    Ich schickte sofort einen Boten zu Cicero und ließ ihm ausrichten, dass unsere Mission erfolgreich gewesen sei. Nachdem man den Gefangenen – allen außer den Galliern, die mit dem Respekt behandelt wurden, der Gesandten zukam  – die Hände hinter dem Rücken gefesselt und sie durch ein Seil von Hals zu Hals aneinandergebunden hatte, machten wir uns auf den Rückweg nach Rom.

    Kurz vor Tagesanbruch betraten wir wieder Stadtgebiet. Einige Menschen waren schon auf den Straßen. Sie blieben stehen und starrten unsere finstere kleine Prozession an, die über das Forum und dann den Hügel zu Ciceros Haus hinaufzog. Die Gefangenen ließen wir unter strenger Bewachung draußen auf der Straße. Im Haus empfing uns der Konsul in Anwesenheit von Quintus und Atticus. Er hörte sich den Bericht der Prätoren an, dankten ihnen herzlich
und wollte dann mit Volturcius sprechen. Er sah zerschlagen und verängstigt aus, als er halb gestoßen, halb gezerrt den Raum betrat und sofort eine absurde Geschichte darüber zum Besten gab, dass Umbrenus ihn gebeten habe, die Gallier aus der Stadt zu begleiten, und dass man ihm dann im letzten Augenblick noch ein paar Briefe mitgegeben habe, über deren Inhalt er nichts wisse.
    »Und woher dann der Kampfeseifer auf der Brücke?«, fragte Pomptinus.
    »Ich habe euch für Straßenräuber gehalten.«
    »Straßenräuber in Uniform? Unter dem Kommando von Prätoren?«
    »Schafft den Schurken weg!«, befahl Cicero. »Ich will ihn erst wieder sehen, wenn er bereit ist, die Wahrheit zu sagen.«
    Nachdem man den Gefangenen aus dem Raum gezerrt hatte, sagte Flaccus: »Wir müssen jetzt schnell handeln, bevor jeder in Rom Bescheid weiß.«
    »Richtig«, stimmte Cicero zu. Dann wollte er die Briefe sehen, die wir gemeinsam in Augenschein nahmen. Zwei stammten von Lentulus Sura, wie ich sofort erkannte: In das Siegel war das Porträt seines Großvaters eingearbeitet, der vor einhundert Jahren Konsul gewesen war. Anhand der Namenslisten kamen wir zu dem Schluss, dass die vier anderen wahrscheinlich der junge Senator Cornelius Cethegus und die Ritter Capito, Statilius und Caeparius waren. Die Prätoren beobachteten uns ungeduldig.
    »Warum so kompliziert?«, fragte Pomptinus. »Warum öffnen wir die Briefe nicht einfach?«
    »Das wäre Fälschung von Beweisen«, erwiderte Cicero und setzte die minuziöse Prüfung der Briefe fort.
    »Mit allem Respekt, Konsul«, sagte Flaccus gereizt. »Wir vergeuden Zeit.«
    Heute weiß ich natürlich, dass Zeitvergeuden genau Ciceros Absicht war. Er wusste, in welch heikle Lage er sich
bringen würde, hätte er über das Schicksal der Verschwörer entscheiden müssen. Er gab ihnen eine letzte Gelegenheit zur Flucht. Seine bevorzugte Lösung war immer noch die, dass die Armee dieses Problem auf dem Schlachtfeld für ihn aus der Welt schaffen möge. Aber er konnte auch nicht ewig taktieren, also wies er uns schließlich an, die Verschwörer auf einen Besuch zu bitten. »Denkt dran, ich will nicht, dass sie verhaftet werden«, warnte er uns zum Abschied. »Sagt ihnen einfach, der Konsul wäre ihnen dankbar, wenn er ein paar Dinge mit ihnen klären könnte, und ob sie nicht vorbeikommen könnten.«
    Die Prätoren hielten ihn eindeutig für einen Waschlappen, aber sie taten wie befohlen. Ich wurde mit Flaccus zu den Häusern von Sura und Cethegus geschickt, die auf dem Palatin lebten; Pomptinus sollte die anderen benachrichtigen. Als wir das herrschaftliche Haus erreichten, in dem vor Lentulus Sura schon seine Vorfahren gelebt hatten, kam es mir merkwürdig vor, dass das Leben dort seinen normalen Gang ging. Er war nicht geflohen, ganz im Gegenteil. In den öffentlichen Räumen warteten seine Klienten geduldig darauf, zu ihm vorgelassen zu werden. Als wir ihm gemeldet wurden, schickte er seinen Stiefsohn Marcus Antonius zur Tür, der nach dem Grund für unseren Besuch fragte. Antonius war damals gerade zwanzig Jahre alt, ein sehr großer und kräftiger Bursche, der einen modischen Spitzbart trug und dessen Gesicht noch voller Pickel war. Es war das erste Mal, das ich ihn sah, und ich wünschte, mir wäre von dieser Begegnung mehr in Erinnerung geblieben, aber ich fürchte, mit mehr als seinem Pickelgesicht kann ich nicht dienen. Er verschwand wieder im Haus und kehrte mit der Antwort zurück,

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