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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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und dann sind deine Beweismittel vielleicht auch weg. Warum schnappen wir sie uns nicht einfach an der Porta Fontinalis?«
    Aber Flaccus, ein Soldat der alten Schule, der schon unter Isauricus gedient hatte, widersprach sofort: »Blödsinn! Keine Ahnung, in welcher Armee du gedient hast, aber da sehe ich überhaupt kein Problem. Ich weiß sogar schon die perfekte Stelle. Wenn sie von der Via Flaminia kommen, dann müssen sie die Milvische Brücke über den Tiber nehmen. Da fangen wir sie ab. Wenn sie erst mal mitten auf der Brücke sind, haben sie keine Chance mehr zu fliehen, es sei denn, sie wollen sich in den Fluss stürzen und ersaufen.«
    Quintus machte ein höchst verärgertes Gesicht. Von diesem
Augenblick an wollte er mit der ganzen Operation nichts mehr zu tun haben. Als Cicero vorschlug, er solle Flaccus und Pomptinus zur Brücke begleiten, erwiderte er eingeschnappt, dass sein Rat ja offensichtlich nicht benötigt werde.
    »Dann muss ich wohl selbst gehen«, sagte Cicero, worauf alle sofort Einspruch erhoben, weil man dort nicht für seine Sicherheit garantieren könne. »Also muss Tiro mit«, sagte er und fügte, als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck sah, hinzu: »Einer muss dabei sein, der kein Soldat ist. Ich brauche von einem Augenzeugen einen detaillierten schriftlichen Bericht, den ich morgen dem Senat vorlegen kann. Flaccus und Pomptinus haben genug mit der Leitung der Operation zu tun.«
    »Was ist mit Atticus?«, schlug ich vor – was etwas unverschämt war, wie mir inzwischen bewusst ist. Glücklicherweise war Cicero so in Gedanken versunken, dass ihm das gar nicht auffiel.
    »Er ist für meine Sicherheit hier in Rom verantwortlich, wie immer.« Der hinter ihm stehende Atticus schaute mich an und zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Also, Tiro, ich will, dass du jedes Wort mitschreibst, und vor allem: Stell die Briefe sicher, und zwar ohne dass die Siegel verletzt werden.«

    Die Nacht war längst angebrochen, als wir losritten: die beiden Prätoren, ihre acht Liktoren, vier weitere Soldaten und am Ende, widerwillig, ich. Als fühlte ich mich nicht schon elend genug, war ich auch noch ein fürchterlicher Reiter. Ich hüpfte im Sattel auf und ab, und meine leere Aktenmappe schlug auf dem Rücken den Takt dazu. Wir trappelten so schnell über das Straßenpflaster und dann durch das Stadttor, dass ich mich an der Mähne meiner armen Stute festklammern
musste, um nicht abgeworfen zu werden. Glücklicherweise war sie eine gutmütige Kreatur, die man zweifellos vor allem für Frauen und Idioten bereithielt. Die Straße führte zunächst leicht bergab und dann durch flaches Gelände. Meine Stute fand ihren Weg und hielt Anschluss an die Reiter vor uns, ohne dass ich korrigierend eingreifen musste.
    Es war eine jener Nächte, in denen der Himmel ein Abenteuer für sich darstellt – ein Ozean aus reglosen silbernen Wolken, durch den sich in rasendem Tempo der glänzende Mond bewegte. Unterhalb dieses himmlischen Irrlichterns wurden wie in einem Gewittersturm die stummen Grabsteine erleuchtet, die die Via Flaminia säumten. Nach etwa zwei Meilen erreichten wir den Fluss. Wir hielten an und lauschten. Ich hörte das in der Dunkelheit rauschende Wasser, und vor mir sah ich die flachen Dächer von einigen Häusern und Umrisse von Bäumen, die sich scharf gegen den aufgewühlten Himmel abhoben. Die Stimme eines Mannes, der ganz nah sein musste, forderte das Losungswort. »Aemilius Scaurus«, antworteten die Prätoren, und im nächsten Augenblick erhoben sich links und rechts aus den Straßengräben die Männer der Zenturie aus Reata, die Gesichter geschwärzt mit Holzkohle und Schlamm. Die Prätoren teilten die Legionäre auf. Pomptinus würde mit einer Hälfte bleiben, wo sie jetzt waren, Flaccus würde mit den restlichen vierzig am anderen Ufer Stellung beziehen. Aus irgendeinem Grund erschien es mir sicherer, mich an Flaccus zu halten, also ritt ich mit ihm über die Brücke. Der Fluss war breit und nicht sehr tief, das Wasser floss rasend schnell über die großen flachen Felsen. Ich schaute über die Brüstung nach unten, wo in über dreißig Fuß Tiefe das Wasser schäumend gegen die Pfeiler krachte. Mir wurde klar, dass die Brücke eine perfekte Falle war, ein Fluchtversuch durch einen Sprung ins Wasser wäre Selbstmord gewesen.
    Die Familie im Haus am anderen Ufer schlief. Erst wollten sie uns nicht hereinlassen, aber als Flaccus mit Gewalt drohte, rissen sie sofort die Tür auf. Flaccus

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