02 Titan
dass der Prätor den Konsul aufsuchen werde, sobald er seinen Morgenempfang beendet habe.
Uns erwartete das gleiche Bild, als wir zum Haus von Gaius
Cethegus kamen, diesem hitzigen jungen Patrizier, der wie sein Verwandter Sura aus dem Geschlecht der Cornelier stammte. Die Bittsteller standen Schlange, aber er erwies uns wenigstens die Ehre, sich persönlich ins Atrium zu begeben. Er musterte Flaccus von Kopf bis Fuß, als hätte er es mit einem streunenden Hund zu tun, hörte sich an, was er zu sagen hatte, und antwortete, dass er üblicherweise nicht sofort loseile, wenn man ihn rufe, aber wenn auch nicht aus Respekt vor dem Mann, so doch vor dem Amt sei er bereit, dem Konsul sehr bald einen Besuch abzustatten.
Wir kehrten zu Cicero zurück, dessen Verwunderung dar über, dass die beiden Senatoren sich immer noch in Rom aufhielten, nicht zu übersehen war. »Was denken die sich?«, flüsterte er mir zu.
Tatsächlich stellte sich heraus, dass nur einer der fünf – Caeparius, ein Ritter aus Terracina – aus der Stadt geflohen war. Die anderen vier trafen jeder für sich binnen der folgenden Stunde in Ciceros Haus ein und unterstrichen damit ihren nicht zu erschütternden Glauben an die eigene Unantastbarkeit. Ich frage mich oft, wann ihnen zum ersten Mal der Gedanke gekommen war, welch haarsträubender Fehleinschätzung sie erlegen waren. Als sie in die Straße einbogen, wo Cicero wohnte, und sie verstopft mit Soldaten, Gefangenen und Gaffern vorfanden? Als sie das Haus betraten und nicht nur Cicero antrafen, sondern auch die beiden designierten Konsuln Silanus und Murena sowie die führenden Senatoren Catulus, Isauricus, Hortensius, Lucullus und mehrere andere, die Cicero gerufen hatte, damit sie sein Vorgehen bezeugten? Als sie ihre Briefe, die Siegel unverletzt, ausgebreitet auf dem Tisch liegen sahen? Als ihnen auffiel, dass die Gallier in einem angrenzenden Raum wie ehrenwerte Gäste behandelt wurden? Als Volturcius plötzlich seine Meinung änderte und im Tausch für eine Begnadigung beschloss, den eigenen Hals zu retten
und gegen sie auszusagen? So stelle ich mir das Gefühl vor, wenn man ertrinkt – die dämmernde Erkenntnis, dass man sich viel zu weit hinausgewagt hat und mit jedem Augenblick immer weiter vom rettenden Ufer abgetrieben wird. Erst als Volturcius Cethegus ins Gesicht sagte, er habe damit geprahlt, Cicero zu ermorden und dann das Senatsgebäude zu stürmen, erst da sprang Cethegus schließlich doch auf und erklärte, dass er sich das keinen Augenblick länger anhören und auf der Stelle gehen werde. Allerdings versperrten ihm zwei Legionäre aus der Zenturie aus Reata den Weg und setzten ihn recht unsanft wieder auf seinen Stuhl.
Cicero wandte sich an seinen neuen Hauptzeugen. »Und was ist mit Lentulus Sura? Was genau hat er dir gesagt?«
»Er sagte, dass laut den Orakeln in den Sibyllinischen Büchern Rom von drei Mitgliedern der Familie der Cornelier regiert werde, dass Cinna und Sulla die beiden ersten gewesen seien und dass schon bald er selbst als dritter Cornelier über die Stadt herrschen werde.«
»Stimmt das, Sura?« Sura antwortete nicht, sondern schaute nur mit flatternden Augenlidern geradeaus. Cicero seufzte. »Noch vor einer Stunde hättest du unbehelligt die Stadt verlassen können. Doch jetzt wäre ich so schuldig wie du, wenn ich es wagte, dich gehenzulassen.« Er gab den Soldaten, die im Atrium warteten, ein Zeichen. Sie kamen herein und stellten sich zu je zwei Mann hinter die Verschwörer.
»Öffne Suras Briefe!«, schrie Catulus, der seinen Zorn dar über nicht länger bezähmen konnte, dass ein direkter Nachfahre aus einer der sechs Gründerfamilien Roms die Republik verraten hatte. »Öffne die Briefe! Wir wollen wissen, wie weit das verräterische Schwein gehen wollte!«
»Noch nicht«, sagte Cicero. »Das wird vor versammeltem Senat geschehen.« Er schaute traurig in die Gesichter der
Verräter, die nun seine Gefangenen waren. »Was immer geschieht, nie soll jemand behaupten können, ich hätte Beweise gefälscht oder Zeugenaussagen erzwungen.«
Der Morgen war inzwischen weit fortgeschritten. Unpassenderweise füllte sich das Haus nach und nach mit Blumen und Grünzeug für die alljährliche Zeremonie zu Ehren der Bona Dea, über die Terentia als Frau des höchsten Amtsträgers an diesem Abend den Vorsitz zu führen hatte. Während Sklaven Körbe voller Mistelzweige, Myrte und Schneerosen ins Haus trugen, verfügte Cicero, dass der Senat sich am
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