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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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kollektives Stöhnen zu hören.
    »Nun, Senatoren, stellt sich die Frage, wie wir weiter mit diesen Schurken verfahren sollen. Ich schlage vor, im ersten Schritt die Beweise zu prüfen und die Beschuldigten für sich selbst sprechen zu lassen. Schickt die Zeugen herein!«
    Die vier Gallier waren die Ersten. Ihre erstaunten Blicke schweiften über die langen Reihen der weiß gewandeten Senatoren, deren Aussehen einen so dramatischen Kontrast zu ihrem eigenen bildete. Als Nächster kam Titus Volturcius, der so stark zitterte, dass er kaum den Gang hinuntergehen
konnte. Als sie Aufstellung genommen hatten, rief Cicero dem neben dem Eingang stehenden Flaccus zu: »Und jetzt den ersten Gefangenen!«
    »Wen willst du als Ersten befragen?«, rief Flaccus zurück.
    »Egal, wer gerade zur Hand ist«, sagte Cicero grimmig, und so kam es, dass als Erster Cethegus von zwei Wachen aus dem Lagerraum zum anderen Ende des Tempels geführt wurde, wo Cicero auf ihn wartete. Beim Anblick seiner versammelten Standesgenossen spürte der junge Senator, wie das ihm eigene Temperament teilweise wieder zum Leben erwachte. Fast schlenderte er den Gang hinunter, und als Cicero ihm die Briefe zeigte und fragte, welches der Siegel das seine sei, nahm er den betreffenden Brief lässig in die Hand.
    »Ich glaube, das hier ist meiner.«
    »Gib ihn mir.«
    »Wenn du darauf bestehst«, sagte Cethegus und reichte ihm den Brief. »In meiner Erziehung, wenn ich das sagen darf, galt es immer als Gipfel schlechter Manieren, wenn ein Herr die Briefe eines anderen Herrn liest.«
    Cicero ignorierte ihn, brach das Siegel auf und las laut vor: »›Von Gaius Cornelius Cethegus an Catugnatus, Führer der Allobroger. Ich grüße dich! Mit diesem Brief gebe ich dir mein Wort, dass ich und meine Gefährten die Zusagen, die wir deinen Gesandten gemacht haben, halten werden, und dass du, sollte sich deine Nation gegen die ungerechten Unterdrücker in Rom erheben, keine treueren Verbündeten haben wirst als uns.‹«
    Nach dem letzten Wort brach die versammelte Senatorenschaft in lautes, wütendes Geheul aus. Cicero hob die Hand. »Hast du das geschrieben?«, fragte er Cethegus.
    Der junge Senator, den die Reaktion der Senatoren unübersehbar bestürzt hatte, murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte.
    »Hast du das geschrieben?«, wiederholte Cicero seine Frage. »Sag es laut und deutlich!«
    Cethegus zögerte und sagte dann leise: »Ja.«
    »Nun, junger Mann, zweifellos hatten wir nicht die gleichen Lehrer, in meiner Erziehung galt es nämlich nicht als Gipfel schlechter Manieren, anderer Leute Briefe zu lesen, sondern mit einer fremden Macht den Landesverrat zu planen!« Cicero warf einen Blick in seine Notizen und fuhr dann fort. »In deinem Haus haben wir heute Morgen ein Waffenlager, bestehend aus einhundert Schwertern und der gleichen Zahl Dolche, entdeckt. Was hast du zu deiner Rechtfertigung zu sagen?«
    »Ich bin Waffensammler …«, begann Cethegus. Vielleicht versuchte er witzig zu sein. Wenn ja, war es ein idiotischer Witz, obendrein sein letzter. Der Rest seiner Worte ging im wütenden Protest unter, der sich in allen Ecken des Tempels erhob.
    »Wir haben genug gehört«, sagte Cicero. »Du hast dich selbst überführt. Schafft ihn raus, und bringt den Nächsten herein.«
    Der nun nicht mehr so leichtfüßige Cethegus wurde wieder abgeführt, und Statilius marschierte den Gang hinunter. Es folgte die gleiche Prozedur: Er identifizierte sein Siegel, der Brief wurde geöffnet und vorgelesen (der Wortlaut war fast identisch mit dem von Cethegus’ Brief), er bestätigte, dass er das geschrieben habe, aber als er um eine Erklärung gebeten wurde, behauptete er, dass er das Ganze nicht ernst gemeint habe.
    »Nicht ernst gemeint?«, fragte Cicero erstaunt. »Eine Einladung an einen fremden Stamm, römische Männer, Frauen und Kinder abzuschlachten … nicht ernst gemeint?« Statilius senkte nur den Kopf.
    Als Nächster war Capito an der Reihe, mit dem gleichen Ergebnis, und dann folgte Caeparius’ wirrer Auftritt. Er hatte bei Morgengrauen versucht zu fliehen, war aber mit Nachrichten für die Rebellentruppen auf dem Weg nach Apulia
gefasst worden. Sein Geständnis war das jämmerlichste von allen. Schließlich blieb nur noch der dramatische Auftritt von Lentulus Sura. Man darf nicht vergessen, dass Sura nicht nur der Stadtprätor war und damit der drittmächtigste Amtsträger im Staat, er war auch ehemaliger Konsul: ein Mann von Mitte fünfzig mit

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