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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fast kein Auge von der Richtung, aus welcher der Zug kommen mußte.
    Da, nach einer kleinen Ewigkeit, blitzte in weiter, weiter Ferne ein Licht auf, erst klein und kaum wahrnehmbar, aber nach und nach immer größer werdend. Dann machte sich das Nahen der Wagen durch ein immer vernehmlicher werdendes Rollen bemerklich, welches nach und nach zu einem Geräusch anwuchs, das dem Grollen eines entfernten Donners glich.
    Der Augenblick war gekommen. Einen blendenden Lichtkeil vor sich herwerfend, brauste der Zug heran. Ich zog den Revolver und drückte auf die Lunte los. Im Nu flammte das Pulver auf und brachte das dürre Gras in glimmenden Brand. Die Lunte schwingend, versetzte ich sie in helle Flamme und gab mit dem andern Arm das Zeichen zum Halten.
    Der Maschinist mußte das Zeichen durch die Glastafeln des Wetterschutzes sofort bemerkt haben; denn schon nach den ersten Schwingungen des Brandes ertönte ein sich scharf wiederholender Pfiff, fast in demselben Augenblick wurden die Bremsen angezogen, und mit donnerndem Dröhnen flog die Wagenreihe an uns vorüber. Ich gab Winnetou ein Zeichen, mir zu folgen, und sprang dem seine Geschwindigkeit zusehends verringernden Zug nach.
    Endlich hielt er. Ohne zunächst die sich von ihren erhöhten Plätzen herabbeugenden Beamten zu beachten, eilte ich an den Wagen vorüber bis vor die Lokomotive, warf meine Decke, welche ich vorsorglich in die Hand genommen hatte, über den Reflektor und rief zu gleicher Zeit mit möglichst lauter Stimme:
    „Lichter aus!“
    Sofort verschwanden die Laternen. Die Angestellten der Pazificbahn sind ein geistesgegenwärtiges und schnell gefaßtes Völkchen.
    „'sdeath!“ rief es von der Maschine herab; „warum verdeckt Ihr unsere Flamme, Mann? Ich hoffe nicht, daß da vorn irgend etwas los ist!“
    „Wir müssen im Finstern sein, Sir“, antwortete ich; „es sind Indianer vor uns, welche den Zug entgleisen lassen wollen.“
    „Alle Teufel! Wenn das so ist, so seid Ihr der bravste Kerl, der jemals durch dieses verfluchte Land stolperte.“ Und zur Erde herabspringend, drückte er mir die Hand, daß ich hätte aufschreien mögen.
    In einigen Augenblicken waren wir von den wenigen Passagieren umringt, welche sich in dem Zug befunden hatten.
    „Was ist's, was gibt's, warum halten wir?“ rief es rund im Kreis.
    Mit kurzen Worten erklärte ich ihnen die Verhältnisse und brachte dadurch eine nicht geringe Aufregung unter den Männern hervor.
    „Gut, sehr gut!“ rief der Ingenieur. „Zwar bringt das eine Störung im Betrieb hervor; aber das hat nichts zu sagen gegen die prächtige Gelegenheit, den roten Halunken einmal eins aufs Fell zu brennen. Glücklicherweise sind wir zwar nur wenig Leute, aber alle gut bewaffnet. Wißt Ihr, wieviel Rote es sind?“
    „Dreißig Ponkas habe ich gezählt.“
    „Well! So nehmen wir es gut und gern mit ihnen auf. Aber was steht denn da drüben für ein Mann? Bei Gott, eine Rothaut!“
    Er griff in den Gürtel und wollte sich auf Winnetou stürzen, welcher mir gefolgt war und nun in aufrechter, zuwartender Stellung seitwärts im Halbdunkel hielt.
    „Bleibt ruhig hier, Sir! Es ist mein Jagdgenosse, der sich freuen wird, die kühnen Reiter des Feuerrosses kennenzulernen.“
    „Das ist was anderes. Ruft den Mann her! Wie heißt er?“
    „Es ist Winnetou, der Häuptling der Apachen.“
    „Winnetou?“ rief es da laut im Hintergrund, und ein Mann drängte sich hastig durch die Umstehenden. „Winnetou, der große Häuptling der Apachen ist hier?“
    Es war ein Mann von wahrhaft riesigen Körperformen, wie ich in der Dunkelheit erkennen konnte; auch schien er mir nicht die Kleidung der ihm rasch Platz machenden Beamten und Reisenden, sondern das Gewand eines Präriejägers zu tragen. Er stellte sich vor den Häuptling und fragte mit hörbar freudigem Ton:
    „Hat Winnetou die Gestalt und die Stimme seines Freundes vergessen?“
    „Uff!“ antwortete mit ebensolcher Freude der Gefragte. „Wie kann Winnetou vergessen Old Firehand, den größten unter den weißen Jägern, obgleich er ihn seit vielen Monden nicht gesehen!“
    „Glaub's, glaub's mein lieber Bruder – geht mir mit dir ja ebenso; aber –“
    „Old Firehand?“ rief's, ihn unterbrechend, rund im Kreis, und fast ehrerbietig traten die Anwesenden einen Schritt von dem Genannten zurück, diesem berühmtesten unter den Indianerfeinden, an dessen Person sich die Erzählung von fast unglaublichen Kühnheiten knüpfte, so daß ihn der Aberglaube der

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