02 - Winnetou II
auf eine kräftige Hilfe seitens der anderen Weißen hatte ich im stillen gleich von vornherein nicht gerechnet, und nun sah ich, daß diese Voraussetzung richtig gewesen war. Sie pafften mit ihren Revolvern und sonstigen Schießzeugen von weitem auf die Indianer los, meist ohne zu treffen, und rissen schmählich aus, als einige Rote brüllend auf sie zusprangen.
Als ich meine letzte Kugel verschossen hatte, legte ich den Bärentöter und den Stutzen weg, zog den Tomahawk und eilte an die Seite von Old Firehand und Winnetou. Wir drei waren die einzigen, welche eigentlich gegen die Ponkas kämpften.
Winnetou kannte ich genugsam und ließ ihn also unbeachtet; mit Gewalt dagegen drängte es mich in die Nähe von Old Firehand, dessen Anblick mich an jene alten Recken mahnte, von denen ich als Knabe so oft und mit Begeisterung gelesen. Mit auseinandergespreizten Beinen stand er grad und aufrecht da und ließ sich von uns die Indianer in das Schlachtbeil treiben, welches, von seiner riesenstarken Faust geführt, bei jedem Schlag zerschmetternd auf die Köpfe der Feinde sank. Die langen, mähnenartigen Haare wehten ihm ums entblößte Haupt und in seinem, vom Mond hell beschienenen Angesicht sprach sich eine Siegesgewißheit aus, welche den Zügen einen geradezu befremdenden Ausdruck gab.
Ich sah Parranoh mitten im Haufen der Indianer und suchte, an ihn zu kommen. Mir ausweichend, kam er in die Nähe des Apachen, wollte aber auch diesen vermeiden. Das sah Winnetou, sprang auf ihn ein und rief:
„Parranoh! Will der Hund von Atabaskah laufen vor Winnetou, dem Häuptling der Apachen? Der Mund der Erde soll sein Blut trinken und die Kralle des Geiers soll zerreißen den Leib des Verräters; aber sein Skalp wird zieren den Gürtel des Apachen!“
Er warf den Tomahawk weit von sich, riß das Messer aus dem mit Kopfhäuten geschmückten Gürtel und packte den weißen Häuptling bei der Kehle. Aber er wurde von dem tödlichen Stich abgehalten.
Als er gegen seine sonstige Gewohnheit sich mit so lautem Ruf auf den Ponka stürzte, hatte Old Firehand einen raschen Blick herübergeworfen, welcher das Gesicht des Feindes streifte. Trotz der Flüchtigkeit dieses Blickes aber hatte er doch ein Gesicht gesehen, welches er haßte mit der tiefsten Faser seines Innern, welches er lange, lange Jahre mit fürchterlicher Anstrengung, aber vergebens gesucht, und das ihm nun so unerwartet an diesem Ort vor die Augen kam.
„Tim Finnetey“, schrie er, schlug mit den Armen die Indianer wie Grashalme auseinander und sprang mitten durch sie hindurch auf Winnetou zu, dessen soeben zum Stoß erhobene Hand er packte. „Halt, Bruder, dieser Mann gehört mir!“
Vor Schrecken starr stand Parranoh, als er seinen eigentlichen Namen rufen hörte; kaum aber hatte er einen Blick in das Angesicht Old Firehand geworfen, so riß er sich von der Hand Winnetous, der seine Aufmerksamkeit geteilt hatte, los und stürmte wie von der Sehne geschnellt von dannen. Im Augenblick machte auch ich mich von dem Indianer, mit welchem ich während dieser Szene im Kampf stand, los und setzte dem Fliehenden nach. Zwar hatte ich für meine Person keinerlei Abrechnung mit ihm zu halten, aber selbst wenn er auch nicht als der eigentliche Urheber des beabsichtigten Überfalles Anrecht auf eine Kugel gehabt hätte, so wußte ich doch, daß er ein Todfeind Winnetous sei, und ebenso hatten mich die letzten Augenblicke belehrt, daß Old Firehand an der Habhaftwerdung seiner Person gelegen sein müsse.
Beide hatten sich ebenfalls augenblicklich zur Verfolgung in Bewegung gesetzt; aber ich wußte, daß sie den Vorsprung, welchen ich vor ihnen hatte, nicht verringern würden, und mußte freilich auch zu gleicher Zeit bemerken, daß ich es mit einem außerordentlich guten Läufer zu tun hatte. Obgleich Old Firehand nach dem, was ich von ihm gehört hatte, ein Meister in allen Fertigkeiten, welche das Leben im Westen verlangt, sein mußte, so befand er sich doch schon nicht mehr in den Jahren, welche einen Wettlauf auf Tod und Leben begünstigen, und Winnetou hatte mir schon öfters eingestanden, daß er mich nicht einzuholen vermöge.
Zu meiner Genugtuung bemerkte ich, daß Parranoh den Fehler beging, ohne seine Kräfte gehörig abzumessen, Hals über Kopf immer geradeaus zu rennen, und in seiner Bestürzung die gewöhnliche Taktik der Indianer, im Zickzack zu fliehen, nicht befolgte, während ich den Odem zu sparen suchte, und in vollständiger Berechnung meiner Kräfte und der
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