02 Winter am Ende der Welt
und Peppermint bleibt an der Leine. Clara fragt, warum ich Jorge verlassen habe, und ich erzähle ihr von den Studentinnen, der Mann kann einfach nicht treu sein, und immer wieder hat er mir versprochen, dass er sich ändert, und jedes Mal wieder habe ich es geglaubt.
Du hoffst ja auch immer noch, dass Rick und Ilsa sich am Ende von Casablanca kriegen, sagt Clara. Von Mal zu Mal weniger, sage ich, von Mal zu Mal weniger.
Clara und ich laufen runter an das Ufer und ich fotografiere driftwood . Driftwood sieht klasse aus, Treibholz, das das Meer blank gescheuert hat und das die absonderlichsten Formen hat. Manchmal kann man Figuren erkennen, manchmal Gesichter. Immer sieht es interessant aus. Das gibt schöne Fotos. Die kann man auf Facebook stellen, die tun keinem weh.
Ich sage zu Clara: Und jedes Mal ging es eine Zeitlang gut und dann kam die nächste Affäre.
Treue ist overrated , sagt Clara. Das ist einer von ihren neuen LA-Ausdrücken, die sie jetzt andauernd verwendet. Es bedeutet überbewertet. Na also, ich weiß nicht. Kann man Treue überbewerten? Ist Treue nicht das A und O einer Beziehung?
Glaubt sie nicht, sagt Clara, und sie war noch keinem Mann treu.
„Auch Alan nicht?“, frage ich.
„Doch, Alan schon“, sagt Clara. „Aber einfach nur, weil wir gar nicht lange genug zusammen waren, um uns untreu zu sein.“
Am übernächsten Tag laufen wir nach Downtown und trinken im Cookshack einen Kaffee. Und okay, zugegeben, Clara isst einen Nanaimo Bar und ich esse einen Rocky Road Square. Wir wissen auch, dass uns das nicht gut tut, aber wir können einfach nicht widerstehen. Und außerdem sind wir die ganze Strecke nach Downtown zu Fuß gegangen. Das verbraucht ja Kalorien, nicht wahr. Wir lassen uns gegenseitig probieren und versuchen herauszufinden, was besser ist.
Die Pluspunkte für Nanaimo Bar: es sind drei Schichten, zuerst der kräftige Schokoladenboden, dann die leckere helle Creme und darauf die feste Schokolade. Einfach gut. Die Pluspunkte für den Rocky Road Square? Schwer zu sagen. Vielleicht der Name. Im Grunde ist es einfach eine Art mächtiger Schokokuchen mit vielen kleinen weißen Marshmallows obendrauf. Die Negativpunkte für beide, und da nehmen sich die beiden nichts: sobald man auch nur einen Bissen zuviel isst, wird einem schlecht. Und gut für die schlanke Linie sind sie auch nicht.
Am Tag drauf klingelt es den ganzen Tag an der Tür.
Erst kommt Kathleen und bringt eine neue Schachtel Prozac für Peppermint, weil Aprils Mutter immer noch krank ist, und deswegen hat April irgendwem, der in der Stadt war und raus hier zu uns ins Dorf fuhr, eine Schachtel Prozac mitgegeben und derjenige hat sie dann bei Kathleen im Café abgeliefert, weil er nicht wusste, wo der Prozac-Pudel wohnt. Als Beigabe für uns gibt es Brownies. Yummie. Aber natürlich genauso schädlich wie Nanaimo Bars und Rocky Road Squares, machen wir uns nichts vor.
Dann klingelt es wieder und es ist Jeff und er bringt die Schüssel zurück. Leer. Natürlich. Klar, so war das ja auch gedacht, nicht wahr.
Dann klingelt es wieder und Paul und die Prinzessin sind da. Zu einem Spontanbesuch übers Wochenende. Unangekündigt, aber gern gesehen.
Damit sind die Schlafzimmer im Haus voll. Ich schlafe in Annas Zimmer. Clara schläft nebenan in dem Gästezimmer mit den zwei Einzelbetten. Und Paul und die Prinzessin quartieren wir unten im Basement ein, im zweiten Gästezimmer. Da steht ein riesiges Doppelbett, und Paul und die Prinzessin sagen, kein Problem. Übers Wochenende können sie da gut zusammen schlafen und sie sind das von Pauls Appartement sowieso gewohnt. Pauls Appartement in Vancouver ist nämlich nur ein Raum, und da ist sogar die Küchenecke mit im Raum, und wenn die Lena übers Wochenende kommt, dann schlafen sie da eh zusammen im Doppelbett.
Dann klingelt es noch mal und da steht doch in der Tat dieser Outdoor-Abenteurer-Typ mit der Pfeffermühle. Das heißt, jetzt Abenteurer ohne Pfeffermühle. Also der Typ, der uns die Pfeffermühle gegeben hat am Peppermint-weg-Tag, und jetzt fragt er, ob wir sie noch brauchen, die Pfeffermühle, er bräuchte sie nämlich sonst heute, weil er für einen Freund kocht und der Laden im Dorf hat keine, weil der Laster immer noch kaputt ist.
Ich gehe hoch in die Küche, nehme die Pfeffermühle und gehe wieder runter. Ich denke: Ich muss jetzt doch noch mal ganz genau hingucken, und sehen, ob der der Typ wirklich so gut aussieht, wie er aussah, als wir ihn das erste
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