02 Winter am Ende der Welt
sind wir dann mit dem Auto gefahren, mit unserem weißen Passat, geräumig und günstig weil Diesel. Und noch später sind wir dann geflogen.
Aber diese erste Fahrt nach Portugal, unsere erste gemeinsame Reise und meine erste Reise nach Portugal überhaupt – die haben wir mit dem Bus gemacht. Nach vierundfünfzig Stunden kamen wir erschöpft in Lissabon an und wurden von Sr Monteiro im Anzug und einer gepflegten Dona Maria Teresa am Busbahnhof abgeholt. Und da standen wir dann: ungewaschen und müde, zwei Tage nicht aus den Klamotten gekommen und mit Rucksack und Plastiktüten beladen.
Dona Maria Teresa sah uns an und wir kamen uns vor wie die Hippies. Und ein bisschen hatte ich so das Gefühl, Jorges Mutter machte mich dafür verantwortlich, dass ihr Sohn nicht ein ordentliches Leben führte, so ein Leben, wie sie es sich wünschte und vorstellte.
Die Wohnung von Jorges Eltern war in der Lapa, in der Rua dos Navegantes, gutes Viertel, da wohnen Diplomaten, Kaufleute und alte Namen mit geerbtem Geld und Anteilen an Banken und Fabriken. Jorges Eltern hatten eine große Wohnung mit großen Fenstern zur Straße hin. Aber es war kalt und ungemütlich. Ungeheizt, natürlich, wie überall. Nirgendwo war richtig geheizt, nicht mal in den Restaurants. In den Cafés und den Läden waren die Außentüren auf, selbst im Dezember. Und da habe ich das erlebt, was Anna später bei unserem Treffen im Bota Alta so gut auf den Punkt gebracht hat mit ihrem Satz: Der erste Winter in Portugal ist der kälteste.
Annehmen oder nicht annehmen? Tja, ich weiß nicht.
Aber dann denke ich: Was soll´s? Ich meine, was soll´s, jetzt mal ganz ehrlich. Dann sieht sie eben, was ich so mache. Dann kriegt sie vielleicht auch mal mit, dass ihr geliebter Sohn ein untreuer Ehemann ist. Das ist vielleicht gar nicht so schlecht. Yeps – das ist es doch überhaupt und zack – ist diese Freundschaftsanfrage mit Ja beantwortet und angenommen. Und der Neugier halber gehe ich auch gleich auf Dona Maria Teresas Seite und da schlägts dich doch nieder.
Dona Maria Teresa hat doch in der Tat sage und schreibe unglaubliche 487 Freunde auf Facebook.
Ich habe fünfundvierzig, das heißt, jetzt sind es natürlich sechsundvierzig, mit Jorges Mutter. Die Prinzessin hat 93 und das erklärte Ziel eines Tages tausend Freunde auf Facebook zu haben. Und diese über achtzigjährige Frau hat vierhundertsiebenundachtzig Freunde und ist dem Ziel der Prinzessin damit erheblich näher als ich. Dona Maria Teresa hat Freunde in Angola und Mosambik. Und sie hat Familie in Brasilien und Venezuela. Stimmt, mir fällt jetzt ein, dass sie in ihrer Jugend in Luanda gewohnt hat, und ich kann mich auch an Geschichten von einer Schwester in Brasilien erinnern. Und der Rest der Freunde ist in Spanien, in Portugal, in Frankreich. Männer und Frauen, Junge und Alte (soweit man das sehen kann, nicht alle Profilbilder lassen einen das Alter erkennen. Und nicht jeder hat das Geburtsjahr im Profil. Ich auch nicht. Muss ja nicht sein, dass jeder sieht, wie alt – oder jung – ich bin, nicht wahr).
Ich gehe wieder auf meine Seite. Da ist nichts Neues außer einem Update über den Zustand der Straße, reingesetzt von Jeff am 24. Dezember um 13.13 Uhr. Und auch der sagt nicht wirklich viel Neues. The Road ist verschneit, vereist und teilweise glatt. Also nichts zum Rausfahren. Was ich ja auch gar nicht will. Weil ich ja gar nicht wüsste, wohin.
Nach zwei Stunden versuche ich noch mal bei Jorge anzurufen. Immer noch keiner da.
Am Abend fahre ich in den Cookshack und hole mir Essen als Take-out. Hier ist Weihnachten ja erst so richtig morgen. Aber für mich ist es heute.
Und ich denke, was soll´s, ich versuche jetzt noch mal bei Jorge anzurufen, es ist zwar nachts um zwei in Lissabon, aber wir sind immer spät ins Bett gegangen.
Ich nehme den Hörer ab und höre Jeff und Kathleen reden. Das ist ja abgefahren. Der Cookshack und die Telefonzelle vor dem Cookshack haben nur eine Leitung. Ich höre, wie Jeff bei Kathleen sein Essen für morgen bestellt. Das ist ja wie in diesem Film. Mit Rock Hudson und Doris Day. Wo die beiden sich einen Anschluss teilen müssen, weil es nicht genug Telefone gibt. Und wo sich die beiden dann so richtig schön in die Haare kriegen. Bettgeflüster, so heißt der Film. Schöne alte Schnulze. Das Problem: Wenn ich jetzt auflege, merken die doch, dass jemand mithört, und das ist ja irgendwie doof, also bleibe ich besser einfach dran und wenn Jeff
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