02 Winter am Ende der Welt
Laden gestanden und Johanna hatte ihn abgewischt und zum Vorschein war dieses wunderbare Möbelstück gekommen. Ein antiker Tisch, der ihr nun als Ladentheke und Sekretär diente.
Überhaupt war der ganze Laden ein Glücksfall. Ein schöner Verkaufsraum mit Fenstern zur Straße hin, ein kleinerer Raum als Atelier direkt hinter dem Verkaufsraum. Und dazu noch ein Zimmer und ein Bad, wo sie wohnen konnte. Jedenfalls fürs erste. Und alles zusammen für eine absolut akzeptable Miete. Ein wirklicher Glücksfall.
Allerdings ein Glücksfall mit einem Wermutstropfen. Ein Glücksfall mit Preis. Der Preis oder Wermutstropfen wog achtzig Kilo und hieß Peter. Ein Brummbär von einem Mann, der in der Ladenwohnung nebenan wohnte und Johanna nervte, wo er nur konnte. Peter war Bootsbauer, lief grundsätzlich nur in Arbeitsklamotten rum, war unfreundlich und hörte laut Musik. Nicht irgendwelche Musik, sondern Rock und Heavy Metall, Musik, die Johannas Klassik im Hutladen übertönte und ihre Kunden vertreiben würde. Und es war ja nicht nur die Musik, er sägte, er hämmerte, er hobelte.
Johanna hatte versucht, sich zu beschweren, aber dieser Peter hatte nur gesagt, er wäre eben Bootsbauer und er würde die Boote aus Holz bauen und dafür brauchte man Hobel und Sägen, und er würde ihr, Johanna, ja auch keine Vorschriften darüber machen, wie sie ihre Hüte zu nähen hatte und welche Arbeitsgeräte sie benutzen sollte.
Das einzig Gute war, dass dieser Peter unregelmäßig arbeitete und viel unterwegs war, wo auch immer er sich rumtrieb, wahrscheinlich in den Kneipen von Winterhude. Und dann kam er spät nach Hause, wenn Johanna längst im Bett lag und zu schlafen versuchte und stellte diese laute Musik an.
Am Samstag war die Eröffnung.
Johanna überlegte, ob es wohl Sinn machen würde, nochmal mit dem Brummbär zu reden. Vermutlich war es sinnlos. Aber sie musste es versuchen. Sie hatte wirklich viel Arbeit in diese Eröffnung gesteckt. Nicht nur war der Laden perfekt, im Gegensatz zu ihrer Wohnung übrigens, sondern sie hatte auch einen richtigen schicken Empfang geplant. Eine Art Hut-Vernissage. Mit allem Drum und Dran.
In der Wohnung stand bis jetzt nur ein Bett, der Rest waren fünf Kisten und drei Koffer, Johannas ganze Habe. Es gab nicht mal eine richtige Küche, sondern nur so eine Art Wintergarten mit Kochstelle und Kühlschrank. Aber wenn ihr Laden erstmal laufen würde, dann würde sie es sich schon schön machen.
Erstmal ging der Laden vor. Johanna hatte Flyer im Stadtteil verteilt und eine Anzeige in der Stadtteilzeitung aufgegeben. Es war nicht einfach, mit so wenig Geld ein Atelier aufzubauen, aber Johanna hatte ihr Bestes gegeben. Sie hatte Annett aus dem dritten Stock überredet, ihr ein paar Platten mit Schnittchen zu machen, im Austausch für einen wirklich schönen rostroten Filzhut mit grünen aufgestickten Blättern. Sie hatte mit dem Weinhändler um die Ecke geredet und er hatte sich bereit erklärt, ihr erstens zehn Prozent Rabatt zu geben und zweitens nur die Flaschen abzurechnen, die sie auch öffnete. Elly hatte ihr Gläser und Teller gebracht und Johanna hatte günstig in einem Billigladen einigermaßen hübsche Servietten aufgetrieben. Es konnte losgehen.
Alle hatten sie für verrückt erklärt, dass sie ausgerechnet Hutmacherin werden wollte. Was für ein altmodischer Beruf. Wie unmodern. Wie unbedacht, einen Beruf zu lernen, der sowieso bald aussterben würde.
Natürlich weiß ich auch, wie das jetzt ausgehen wird.
Johanna wird sich bestimmt in diesen Brummbär von Peter verlieben und unter seiner rauen Schale steckt ein total netter Kerl, der Johanna lieben und beschützen wird. Aber auch hier wie so oft im Leben und wie von so vielen Leuten immer wieder betont, obwohl sie sich selber nicht die Bohne dran halten, ist natürlich der Weg das Ziel. Und der Brummbär wird ihr helfen, diesen Daddy aufzutreiben, der sich ein Leben lang nicht um Johanna gekümmert hat, und es wird sich herausstellen, dass Papa gar nichts dafür konnte, weil er ja gar nichts von ihr wusste.
Und am Ende wird es Friede-Freude-Eierkuchen sein und sie werden schön in einem Restaurant am Hafen sitzen, der Papa und der Brummbär und Johanna und Elly, und edel essen und danach in der Hafenbar einen Cocktail trinken. Einen Tequila Sunrise. Im Tower. Mit Blick über ein dunkles, aber beleuchtetes Hamburg. Ach ja.
Johanna dekorierte einen moosgrünen Hut mit schwarzem Tüll und suchte in den Anstecknadeln
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