Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
Vom Netzwerk:
kocht und auf ihn aufpasst. Jeez Louise. Das war kein guter Ratschlag von Clara. Und noch blöder von mir, diesem Ratschlag auch noch zu folgen.
    Und der heutige Auszug aus dem Gruselkabinett setzt dem noch so richtig einen drauf. Sandmann_50 sieht aus wie ein Weihnachtsmann auf einer Überdosis von Vanillekipferln und hat wahrscheinlich die eins vor der Fünfzig vergessen. 4everU klingt in Kombination mit dem Foto wie eine echte Drohung. Und Prinz hat sich schon längst in einen Frosch verwandelt, wenn er denn nicht sowieso schon immer einer war.
    Und wenn ich mir jetzt noch vorstelle, dass alle diese Töpfe in meinem Alter einen Deckel suchen, der möglichst zehn oder fünfzehn Jahre jünger ist als sie, dann merke ich: ich gebe auf. Ich gebe schlicht und einfach auf. Aus, Ende, das war´s. Für keinen dieser Töpfe möchte ich ein Deckel sein. Oder für keinen dieser Deckel ein Topf. Oder wie rum man auch immer das ausdrücken will.
    Ich sehe ein: Dieser Teil meines Lebens ist vorbei. Ich hatte eine glückliche Kindheit (nichts Spektakuläres, das Übliche, keine tragischen Zwischenfälle, eine normale Kindheit eben), eine gefühlvolle, dramatische aufregende Phase von fünfzehn bis Anfang zwanzig (wie ja die meisten von uns) und dann sehr viele doch auch sehr schöne Jahre in Hamburg und Lissabon mit Jorge (und vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben bin ich da jetzt so richtig dankbar dafür).
    Und nun sollte ich sehen, dass ich in die Puschen komme und mit dem Rest meines Lebens was Sinnvolles anfange.
    Ich werde nach vorne gucken.
    Ich werde einen Beruf finden und in diesem Beruf aufgehen.
    Männer sind für mich damit abgehakt. Aus die Maus.
    Denn einen neuen Mann werde ich nicht finden. Und mit Jorge kann ich nicht leben. Ich möchte meinen Partner nicht mit anderen Frauen teilen und Jorge kann nicht treu sein. Das ist ein nicht zu lösender Konflikt.
    Das heißt – halt – Jorge hat ja gesagt, dass er jetzt treu ist. Dass er seine Lektion gelernt hat. Er hat mir neulich in Lissabon bei meinem Blitz-Besuch gesagt, dass er jetzt treu ist. Der Catarina allerdings, und nicht mir, aber das ist vielleicht eine Kleinigkeit, die man noch hinbiegen kann. Schließlich habe ich die älteren Rechte. Schließlich sind Jorge und ich noch immer verheiratet. Im Grunde ist er immer noch mein Mann.
    Die Frage ist also: Wie bekomme ich ihn zurück?
    Die Antwort, die mir jetzt spontan einfällt, ist: indem ich ihm verzeihe.
    Immerhin hat er ja wenigstens keine außerehelichen Kinder gezeugt, so wie dieser Mann im Leben von Johannas Mutter in Claras Liebe und Lüge . Jorge hat seine Seitensprünge immer gebeichtet. Wir haben uns immer versöhnt und seine Seitensprünge haben keine Folgen gehabt. Und er will jetzt treu sein. Mit anderen Worten: Wir könnten jetzt einfach noch mal von vorne anfangen und zusammen glücklich werden. Dazu müsste ich ihn allerdings wieder zurückbekommen.
    Jetzt muss ich nur noch sehen, wie ich das möglichst geschickt anfange. Da wir uns im Moment an verschiedenen Ecken der Welt aufhalten, werden wir uns nicht zufällig beim Bäcker um die Ecke in die Arme laufen. Aber wo trifft mach sich heute unverbindlich? Richtig. Auf Facebook. Facebook ist der neue Bäcker um die Ecke, sozusagen.
    Ich mache Facebook auf und sinniere. Wie fange ich das jetzt am geschicktesten an?
    Mein Blick geht aus dem Fenster. Das ist das Schöne an diesem Arbeitsplatz hier – der schmale Schreibtisch steht direkt am Fenster und man sieht auf die Straße. Das hat die Anna sich gut eingerichtet. Man ist für sich, sitzt im ersten Stock ein bisschen erhöht und betrachtet die Welt von oben. Man sieht Leute vorbeigehen, wird aber selber nicht gesehen. Man sieht die Autos vorbeifahren und hat das Gefühl, man ist Teil des Dorfes. Da – jetzt zum Beispiel – da ist der Mann mit dem Boxer und dem Kaffeebecher. Er läuft jeden Tag mehrmals hier lang. Kapuze auf dem Kopf, Boxer an der Leine, Kaffeebecher in der Hand. Straße auf, Straße ab. Wo geht er hin? Und warum trinkt er seinen Kaffee nicht zu Hause? Jeff fährt in seinem Jeep die Straße runter. Er sieht hoch, sieht mich, winkt. Ich winke zurück. Und irgendwie hat es was Beruhigendes, Jeff zu kennen und zu wissen: Das ist der Jeep mit dem mit Lehm repariertem Auspuff.
    Rugged Mountain ist hinter Nebel versteckt. Und selbst der kleine Berg, der Hang auf der anderen Seite vom Fluss, ist heute von Nebel verhangen. Draußen gurren die Tauben. Eine Möwe zieht ihren Kreis

Weitere Kostenlose Bücher