02 Winter am Ende der Welt
Kinderseelen und entführt uns in eine andere Welt. Am schönsten ist die Stelle, wo Red (das ist der mittlerweile erwachsene Hellboy) am Bett seiner geliebten Liz steht. Der große harte und etwas angetrunkene Kerl mit der steinernen Faust guckt ganz weich auf seine schlafende Frau und sagt: Das ist sie. Ich würde für sie in den Tod gehen. Aber sie will, dass ich auch noch abwasche .
Oder so ähnlich. April und ich gucken uns an und lachen los. Und ja – wir begreifen die Botschaft: Männer sind was Wunderbares, aber man darf sie nicht überfordern. Reicht doch im Grunde, dass sie für uns in den Tod gehen wollen, für den Abwasch gibt es schließlich Spülmaschinen.
***
Am fünften Februar ist es mild. Kein Regen, aber auch keine Sonne. Rugged Mountain hat nur wenig Schnee und eine Wolke auf halber Höhe, sieht wie eine Halskrause aus.
Am sechsten Februar ist es neblig und verhangen, und Rugged Mountain hinter Nebel versteckt. Am Nachmittag setzt ein feiner aber stetiger Regen ein.
Am siebten Februar regnet es nicht. Man sieht sogar ein Stückchen blauen Himmel, die Wolken sind an einer Stelle aufgerissen.
Am vierzehnten Februar ist Valentinstag und wir fahren alle nach Campbell River. Nicht, weil Valentinstag ist, sondern weil es sich einfach so ergibt. April muss zum Arzt, Carl will ins Museum gehen wegen Anregungen für die historische Farm, Jeff muss dringend mal richtig einkaufen. Und ich muss einfach mal raus. Meine Güte, ich bin ja im Grunde jetzt schon Wochen hier, wenn man mal von meinem unnützen Blitzbesuch in Lissabon absieht, der sich im Rückblick wie ein Traum anfühlt und von dem ich oft wünsche, es wäre einer gewesen.
The Road ist gut.
Aber auf dem Highway erwischt es uns. Es fängt ganz harmlos mit ein paar Schneeflocken an und am Buttle Lake hängen wir in einem Schneesturm. In Minuten ist alles weiß. Außer uns ist kein Auto auf der Straße, aber das ist hier in der Gegend ja noch nicht mal ungewöhnlich, hier kann man Kilometer um Kilometer fahren und kein anderes Auto sehen, selbst an Tagen mit Sonnenschein.
Die Berge sind weiß. Der Schnee türmt sich am Straßenrand. Die Sicht ist minimal. Absurderweise denke ich an Schneeweißchen und Rosenrot, die beiden bösen Schwestern aus Claras Skype. Ist ja auch merkwürdig, was einem so alles durch den Kopf geht. Wahrscheinlich wegen Schnee und Schneeweißchen. Wir sehen sogar einen Bergpuma und das ist wirklich selten. Er läuft direkt vor dem Auto über die Straße, bleibt kurz am Straßenrand stehen, sieht uns an und ist weg. Noch ehe einer von uns auch nur das Wort Kamera denken kann, ist er auch schon wieder weg. Schade. Das wäre ein super Foto für Facebook gewesen.
Jeff fährt sehr langsam, aber plötzlich rutscht der Jeep und wir hängen im Straßengraben. Glücklicherweise ist uns sonst nichts passiert. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind, für mich sieht das alles aus wie einer Doku über Grönland oder Churchill, aber Jeff kennt den Weg und weiß, die Lodge ist nur fünf, vielleicht sechs Kilometer entfernt, und dort gibt es Leute und ein Telefon und Hilfe.
Jeff und Carl ziehen sich ihre Jacken an und setzen Mützen auf. Sie steigen aus und gehen in Richtung Lodge. April und ich fragen, ob wir mitkommen sollen, aber die beiden sagen nein, das ist nicht nötig, und es ist kalt und ungemütlich da draußen und April und ich sollen im warmen Auto bleiben. Dann ziehen die beiden los. Schnee und Kälte und Bergpumas zum Trotz. Und jetzt mal ganz ehrlich, dafür, dass sie da jetzt so selbstverständlich losziehen im Schneesturm, können April und ich ruhig ein paar Mal abwaschen, nicht wahr?
In Campbell River ist das Wetter dann eigentlich ganz okay. Allerdings werden wir hier jetzt ein paar Tage festhängen (so ganz im Hier und Jetzt, wenn auch unfreiwillig), denn es wird ein bisschen dauern, bis der Jeep von einem Abschleppwagen eingesammelt werden kann.
Der Highway 28 ist immer noch kaum befahrbar, und der Abschleppwagen hat reichlich zu tun. Leihwagen gibt es auch nicht mehr, da wir nicht die einzigen sind, die im Graben gelandet sind. Da werden wir wohl zu Fuß durch die Stadt gehen müssen. Wir erwischen gerade noch zwei Doppelzimmer im Inn im Stadtzentrum. Die beiden letzten freien Zimmer. Da haben wir ja direkt noch Glück gehabt. Wie heißt es immer so schön? Glück im Unglück. Wir sind ohne Gepäck, das ist noch im Jeep, das kriegen wir morgen. Hoffentlich. Sonst übermorgen. So ein Schneesturm
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