020 - Das Schiff der schwarzen Piraten
Der Mann hieb seine Linke auf Rufus' Knochenschulter und riß ihn herum. Mit der Faust schlug er zu. Sie landete mitten in Rufus' grinsender Totenfratze.
Cassidy brüllte auf. Er hatte seine ganze Kraft in diesen Schlag gelegt. Die Wirkung war, als hätte er mit Volldampf gegen einen Granitblock geschlagen.
Doch der Dämon wollte nun ein Exempel statuieren. Blitzschnell spreizte er die Knochenfinger.
Er stieß sie nach vorn in Cary Cassidys Brust. Ein Magieschock begleitete diesen Todesstoß. Cassidy riß die Augen auf. Sein Mund öffnete sich. Ein Ausdruck grenzenloser Verblüffung breitete sich über sein Gesicht, aus dem schlagartig die Farbe wich, und dann brach er wie vom Blitz getroffen zusammen.
Rufus wandte sich um und ging weiter. Keiner der Dorfbewohner wagte es, zu Cassidy zu eilen. Sie wußten es alle: für den konnte man nichts mehr tun.
***
»Das genügt!« sagte Yora mit herrischer Stimme.
Die Finger des schwarzen Piraten lösten sich sofort von Vicky Bonneys Hals. Die Totenpriesterin stieg die glitschigen Holzstufen herunter. Triumph leuchtete in ihren grünen Augen.
Sie nickte dem Zombie anerkennend zu. »Du hast das sehr gut gemacht.«
Der Untote grinste geschmeichelt. Er war diesem schönen, gefährlichen Mädchen gern gefällig. »Warum darf ich sie für dich nicht gleich töten?« fragte er.
»Sie soll durch den Seelendolch sterben«, sagte Yora. Kalt lächelnd hob sie die Waffe. »Ich werde ihr damit die Seele aus dem Leib schneiden. Sie wird mit euch auf große Fahrt gehen.«
»Großartig«, sagte der schwarze Pirat.
Er wartete darauf, daß es die Totenpriesterin gleich tat. Als sie jedoch keine Anstalten traf, schaute er sie fragend an.
Sie wußte, was ihn interessierte. »Ich könnte sie natürlich jetzt sofort töten, aber das wäre für mich keine Genugtuung. Ich möchte, daß sie bei Bewußtsein ist, wenn ich mit dem Seelendolch zustoße. Sie soll ihr Ende ganz genau mitkriegen. Heb das Mädchen auf.«
Der Zombie gehorchte. Er schob seine Arme unter Vicky Bonney und hob sie hoch. »Wohin mit ihr?« fragte er.
»Bring sie unter Deck!« verlangte die Totenpriesterin.
»Wie du willst.«
Mit schweren Schritten stampfte der Untote über das Schiff und die Stufen des Niedergangs hinunter. Yora folgte ihm. Sie wies auf einen Holztisch, dessen massive Platte fast zwanzig Zentimeter dick war.
»Leg sie da drauf«, befahl Yora.
Der schwarze Pirat tat es. Das Mädchen mit dem Seelendolch lehnte sich an die Wand und sagte: »So, und nun warten wir, bis sie zu sich kommt.«
***
Lance Selby, Frank Esslin und Oda waren genauso erschüttert wie alle Dorfbewohner. Cary Cassidy hatte sein Leben sinnlos geopfert. Weggeworfen hatte er es geradezu, denn geändert hatte sich an der Situation absolut nichts. Jetzt lag er dort auf dem kalten Granitpflaster – und Roy hatte keinen Vater mehr.
Dabei war es noch Glück im Unglück, daß nicht mehr passiert war. Rufus hätte auch noch den Geiseln den Befehl erteilen können, sich umzubringen. Phil MacKenzie schüttelte verzweifelt den Kopf.
»Dieser Narr. Das hat er nun davon. Hätte er bloß auf mich gehört.«
Die Geisterpiraten erreichten den Hafen. Als sie in ihre Boote stiegen, nahmen sich die Dorfbewohner des Toten an und trugen ihn fort. Die Boote der schwarzen Piraten legten ab.
Lance Selby atmete schwer aus. »Können wir denn gar nichts tun, Oda?« fragte er seine Freundin. »Ich halte das einfach nicht aus, dabei zuzusehen, wie Nimu Brass und Rufus mit dem Gold und den Geiseln abhauen. Es muß doch irgendeine Möglichkeit geben, ihnen beizukommen.«
Die weiße Hexe hob die Schultern. »Vorhin, als wir uns der Geiseln annehmen wollten, sah ich noch eine Chance.«
»Jetzt nicht mehr?«
»Ich fürchte, es gibt nichts mehr, was wir tun können, Lance. Was immer wir unternehmen, es schadet den Geiseln.«
»Teufel, das hat Rufus mal wieder verdammt clever eingefädelt!« knirschte der Parapsychologe. Er ballte die Hände zu Fäusten. »Aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Irgendwann wird dein Kopf doch rollen, Rufus, und ich werde dabei zusehen und vor Vergnügen lachen!«
Männer gingen an ihnen vorbei. Sie strebten dem Hafen zu und beobachten die abfahrenden Boote.
»Wenn bloß Tony Ballard, Mr. Silver und Roxane hier wären«, meinte Frank Esslin.
»Die können auch nicht Wunder wirken«, sagte Lance.
»Irgend etwas hätten wir dann bestimmt ausgeknobelt«, versetzte Frank.
Marvin Nelson kam auf sie zu. Allein. Oda
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