020 - Im Todesgriff der Schreckensmumie
töten wollte, ist eine
Nachbildung?«
Professor Wintersley nickte. Er machte einen gehetzten Eindruck, obwohl er
sich dazu zwang, äußere Ruhe zur Schau zu tragen. »Ja, sie ist die vierarmige
Priesterin und Göttin. In einer Person. Um Khto-Ysiro ranken sich viele
Legenden. Offenbar gelang es nur Jameson, Wahrheit und Dichtung voneinander zu
trennen. Ich glaube, ich ahne, worauf Ihre Frage zielt. Und ich will sie Ihnen
gern in allen Einzelheiten beantworten. Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Es
ist wichtig für Sie, für Ihre Mission und vor allen Dingen für Ihr Leben, dass
Sie nach Möglichkeit alles erfahren. Dann können Sie immer noch entscheiden,
wie Sie vorgehen wollen, ob Ihre Mission überhaupt einen Sinn hat, oder ob es
zwecklos ist, auch nur einen Finger krumm zu machen. Wenn Sie mich fragen, dann
kann ich aus den Dingen, die sich ereignet haben und noch ereignen werden nur
eines herauslesen: Es ist sinnlos, auch nur das Geringste zu unternehmen: Die
Rache Khto-Ysiros wird uns alle verschlingen! Auch Sie, Mister Brent, denn Sie
stecken schon zu tief in den Dingen drin. Sie können nicht mehr zurück. In dem
Augenblick, als Sie die Skulptur an sich nahmen, war Ihr Schicksal besiegelt!
Ich bin überzeugt davon, dass Khto-Ysiro Ihr Todesurteil bereits gesprochen hat
... Ja – die Geschichte über das Leben der sagenhaften Khto-Ysiro ist rasch
erzählt. Sie, die durch eine Missbildung des Körpers mit vier Armen zur Welt
kam, gründete schon in frühesten Mädchenjahren eine eigene Sekte. Die der Schwarzen Göttin. Was man sich damals
unter der Schwarzen Göttin und dem
rätselhaften Yama Dha , einen Begriff,
den ich bis zur Stunde nicht entziffern konnte, vorstellte, wird vielleicht
ewig ein Rätsel bleiben. Sicher ist schließlich nur, dass Khto-Ysiro Priesterin
wird. Schnell identifiziert das Gros der Sektierer sie mit der Gestalt der Schwarzen Göttin. Ab einer bestimmten
Stelle im Buch der Schwarzen Göttin ist
die Bezeichnung Khto-Ysiro nur der zweite Name für sie. Die vierarmige
Priesterin und die Schwarze Göttin sind
eine Persönlichkeit. Einigen Priestern in den eigenen Reihen wird Khto-Ysiros
Macht zu groß. Sie fürchten um ihre Vormachtstellung und einige Renegaten
beschließen, Khto-Ysiros Macht zu brechen, sie zu töten. Die Einzelheiten
dieser Entwicklung aufzuzählen, die genau in den Manuskriptblättern
festgehalten sind, die mein Kollege Bunter und ich übersetzten, würde zu weit
führen. Jedenfalls gelingt es durch Intrigen, Khto-Ysiro in die Enge zu
treiben. Sie wird zum Tode verurteilt. Und der schlimmste Beschluss: Sie muss
ohne Begleiter ins Totenreich segeln. Außerdem soll ihr die Einbalsamierung
verweigert werden. Die Pyramide, in die sie eingemauert werden soll, wird von
Sklaven erbaut. Sie ist nicht groß, doch sie ist so angelegt, dass ein System
komplizierter Gänge und Wege es jedem späteren Eindringling unmöglich machen
soll, die Grabkammer zu finden und Khto-Ysiro doch noch nachträglich einzubalsamieren.
Zeitgleich, als die Bauarbeiten unter scharfer Bewachung beginnen, gelingt es
einer Gruppe treuer Anhänger in einer finsteren Nacht, in der ein Sandsturm die
Wächter und Sklaven in die Unterkünfte treibt, unmittelbar unter der Stelle, an
der die Grabkammer liegen soll, einen Schacht zu graben. Sie bauen sich einen
Hohlraum aus, in dem sie sich aufhalten. Es ist später dann die Rede davon,
dass auch mindestens zwei Wächter in das Komplott eingeweiht waren und die
Verborgenen unterstützten. Sie versorgten die Männer im Versteck mit Proviant
und mit Pergament und Schreibmaterial. Sie notierten die Geschichte der Schwarzen Göttin, von Khto-Ysiro
begonnen, weiter. Das Buch ist vollkommen erhalten. Die eine Hälfte befindet
sich in meinem Besitz, die andere in den Händen des Amerikaners Bunter. Je
weiter die Arbeit an der Pyramide und den Geheimgängen fortschritt, desto
weiter führten die Männer den Bau eines Verstecks unterhalb der Grabkammer aus.
Mancher Quader verschwand, um ihnen in der Tiefe die Möglichkeit zu geben, ihre
geheime Behausung zu stützen und zu erweitern. Auf geheimen Kanälen wurden
Kräuter und Elixiere und Mittel zur Einbalsamierung in die Tiefe zu den
Eingeschlossenen geschafft, die sich entschlossen hatten, zusammen mit der
verehrten Khto-Ysiro zu sterben. Sie wollten ihrer Göttin und Priesterin den
letzten großen Dienst erweisen: ihren Körper vor dem Zerfall zu bewahren.
Khto-Ysiro wusste von den Vorbereitungen. Sie starb ohne
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