020 - Zug der Verlorenen
wir am Waldrand gesehen haben.«
»O nein!« - »Wudan stehe uns bei!« - »Marwaan möge uns beschützen!«
Unruhiges Gemurmel setzte ein. Die Sklaven, die die Worte des Fischers mitbekommen hatten, waren leichenblass geworden. Auch Matt fühlte, wie ihn Unruhe beschlich. Zwar gab er sich alle Mühe, sich nicht von irgendwelchen Legenden einschüchtern zu lassen, doch hatte er in der Vergangenheit schon zu viel erlebt, um nicht zu glauben, dass in dieser entarteten Welt so ziemlich alles möglich war.
Mit Schaudern dachte er an Lemarr zurück, das Ungeheuer, das in den Tiefen des Lac Leman gehaust hatte. [2] Lemarr war das Ergebnis einer genetischen Manipulation gewesen - was, wenn hier etwas Ähnliches stattgefunden und die See eine Rasse von Mutanten hervorgebracht hatte?
Er konnte sehen, wie sich Aruula neben ihm verkrampfte. Beruhigend legte er seine Hand auf ihre nackte Schulter, um ihr zu zeigen, dass er bei ihr war. Vielleicht half ihr seine Nähe, dem Sturm von Furcht und Panik standzuhalten, der von allen Seiten auf sie niederging.
»So weit ich gehört habe«, ließ sich der junge Crane mit der ihm eigenen singenden Stimme vernehmen, »ernähren sich die Fishmanta'kan von Menschfleisch!«
»Das ist wahr«, bestätigte Hapoc - und ein Raunen des Entsetzens ging durch die Reihen der Sklaven.
»Und das ist noch nicht alles«, fügte Crane hinzu. »Sie reißen ihren Opfern das Herz heraus und fressen es auf, so lange es noch warm ist. Dann häuten sie ihre Opfer und weiden sich am Anblick des verwesenden Fleischs…«
Blankes Entsetzen griff um sich. Einige der Sklaven begannen angstvoll zu wimmern.
»Woher willst du das wissen?«, fragte Matt, der eine Panik verhindern wollte - er hatte keine Lust, von den Flammpeitschen der Wärter halb tot geprügelt zu werden.
»Ich habe es gesehen«, krächzte Crane zurück, und in seinen Augen loderte es so unheimlich, dass Matt unwillkürlich schauderte.
»Ich war noch ein Kind damals. Wir waren auf See. Ein Sturm brach los und wir trieben aufs offene Meer. Plötzlich waren sie da. Sie kamen aus der Tiefe. Schreckliche Kreaturen mit großen Augen, die so kalt waren wie die von Raubfischen.«
»Was haben sie getan?«
»Sie haben…sie haben alle…« Crane unterbrach sich, brachte die schrecklichen Worte nicht über die Lippen. »Ich werde nie das Blut vergessen«, fuhr er leise fort, »all das Blut. Es war überall auf dem Schiff…«
»Du meinst sie…haben alle umgebracht?«, fragte Matt.
»Ich war dabei. Sie haben ihren Opfern die Herzen herausgerissen und sie gegessen.«
»So?«, erkundigte sich Grath skeptisch. »Und wieso bist du noch am Leben?«
»Ich weiß nicht…« Geistesabwesend schüttelte Crane den Kopf, starrte ins Leere.
»Sie zwangen einige von uns, von den Herzen zu essen. Die sich weigerten, wurden ebenfalls getötet. Ich jedoch…habe davon gekostet. Ich mochte den Geschmack. Das warme Blut…«
»Elender Bastard.« Graths Züge verzerrten sich. »Ich wusste es doch! Diese Ratte verdient es nicht zuüberleben.«
»Keiner wird überleben«, sagte Crane und verfiel in irrsinniges Kichern. »Wir alle sind dem Tod geweiht! Alle!«
Matt merkte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten, Aruula zuckte zusammen. Kein Zweifel - Cranes Verstand hing am seidenen Faden.
»Er ist krank«, stellte Aruula beunruhigt fest.
»Orguudoo ist dabei, seinen Geist zu verschlingen.«
»Geisteskrank oder nicht«, erwiderte Matt leise, »wenn Crane die Wahrheit sagt, haben wir schlechte Karten. Emroc und seine Leute sind immerhin bewaffnet, wir hingegen haben keine Möglichkeit, uns zu wehren.«
Wehmütig dachte Matt an seine Beretta zurück. Er hätte auch einiges für ein Päckchen Plastiksprengstoff in den Taschen seines Overalls gegeben. Aber da war nichts mehr, womit er Aruula und sich im Fall eines Angriffs hätte verteidigen können. Wenn es diese - wie hießen sie noch gleich; Fishmanka…manta…wenn es diese Fish-macs wirklich gab und sie wirklich so blutrünstig waren wie Crane und der Fischer behaupteten, würden sie ihnen schutzlos ausgeliefert sein…
Als die Sonne im Westen über dem Meer versank und Dunkelheit über die Lichtung fiel, entzündeten Emrocs Leute zahlreiche Fackeln, mit denen sie den Rand des Lagers absteckten.
Wie in jeden Nacht wurden die Gefangenen wieder eng zusammengetrieben, doch stellte der Sklavenmeister diesmal nur halb so viele Wachen ab, um auf sie aufzupassen. Zum einen ging Emroc wohl davon aus, dass Furcht
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