0200 - Ich stieß das Tor zur Hölle auf
vernichten sollen! Ja, das wäre die beste Lösung gewesen. Sie hatte es nicht getan, was sie nun bereute, denn damals hätte sie gern in die Zukunft geschaut. Leider waren ihr die Zeichen der Zeit verborgen geblieben. Sie hätte wissen sollen, dass Dr. Tod es immer wieder versuchen würde, doch es gab zwischen ihnen eine Gemeinsamkeit, die sie praktisch zusammenkittete, obwohl sie diese unterschiedlichen Ansichten hatten.
Diese Gemeinsamkeit trug den Namen John Sinclair! Der Geisterjäger war ihr beider Feind. Sogar ein Todfeind. Um ihn zu vernichten, hatte die Teufelstochter über manch anderes hinweggesehen. Nun allerdings war sie an einem Punkt angelangt, wo sie sich selbst eine Frage stellen musste: Dr. Tod oder John Sinclair? Auf wen sollte sie ihre höllischen Kräfte konzentrieren?
Sinclair, ein Feind, Dr. Tod ebenfalls. Sie beschloss, ihre Kräfte auf die Mordliga und ihren Anführer zu konzentrieren, denn er war der Gefährlichere, wenn man ihn zum Gegner hatte. Der Grund lag auf der Hand. Sinclair war ein Mensch. Und als Mensch besaß er auch Gefühle. Er kannte Angst, die Freude, hatte alle menschlichen Schwächen und Vorzüge, und er besaß noch etwas: ein Gewissen!
Ja, er hatte ein Gewissen. Er war längst nicht so eiskalt und ging nicht über Leichen. Auf Menschen nahm er Rücksicht, während Dr. Tod sie eiskalt in die Waagschale warf, denn ihn interessierte ein Mensch nur so lange, wie der für ihn nützlich war. Ging die Zeit vorbei, dann ließ er ihn fallen, was zumeist mit einem Mord an dieser Person endete.
Mit der gleichen Brutalität würde Dr. Tod auch gegen Asmodina vorgehen, doch die Teufelstochter störte sich nicht daran. Sie würde ebenso eiskalt über Leichen gehen wie ihr Feind. Ihre Gedanken drehten sich zwar noch immer um Dr. Tod, aber sie bewegten sich jetzt in eine andere Richtung.
Asmodina dachte daran, dass Solo Morasso aus seinen Niederlagen gelernt hatte. Er würde sicherlich nicht mehr so forsch vorwärts stürmen und direkt auf sein Ziel losgehen. Wie Asmodina ihn jetzt einschätzte, suchte er sicherlich nach spitzfindigeren Methoden, und Raffinesse gehörte bei ihm dazu. Die Hinterlist war bei ihm angeboren. Er würde es mit allen Tricks versuchen, und Asmodina wollte in der nächsten Zeit wirklich mehr als vorsichtig sein.
Sie dachte auch an Asmodis, der praktisch ihr Vater war. Er musste ihr helfen, wenn sie ihn darum bat, denn es gab keinen anderen Weg. Dabei hatte sich Asmodis oft nicht sehr kooperationsbereit gezeigt. Er hatte seine Tochter allein gelassen. Sie sollte selbst auf sich achtgeben und ihre eigenen Wege gehen, so wie er seine eigenen Wege ging.
Im Anfang hatte Asmodina dies gewurmt, doch mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt. Allerdings befand sie sich nun in einer Lage, in der sie Hilfe brauchen konnte, und sie dachte sehr stark an Asmodis. Sie wünschte ihn sich herbei.
Er kam.
Asmodis war der Herrscher, zudem war er ein Telepath. Er konnte die Gedanken seiner Tochter empfangen. Zuerst erschien das Feuer. Eine wilde, flammende Lohe, grünrot leuchtend und alles verbrennend, was sich ihm in den Weg stellte.
Asmodina stand von ihrem Thron auf. Sie blickte starr in die seltsamen Flammen, die nicht einmal Hitze verströmten, und sah darin das fratzenhafte Gesicht ihres Vaters leuchten. Die alten Maler und Holzschnitzer des Mittelalters hatten tatsächlich recht gehabt. Der Teufel zeigte sich als ziegenköpfiger Bastard. Der Schädel hatte die Form eines Dreiecks, Hörner wuchsen wie bei Asmodina aus der Stirn, die Augen waren Kreise in einem braunen Gesicht. Sie leuchteten wie das Feuer kalter Diamanten. Ohne Gefühl, ohne Gnade. Das Wahnsinnsprodukt der Hölle stand vor Asmodina und schaute sie an. Ein Mensch wäre vielleicht vergangen, nicht allein durch den Anblick. Er war gar nicht so schlimm, doch Asmodis verbreitete eine Aura des Grauens. Sie war kaum zu beschreiben, so schrecklich stellte sie sich dar. In ihr schienen alle Kräfte und Bösartigkeiten der Hölle sowie des Dämonenreiches vereint zu sein.
Asmodina erschreckte diese Aura nicht. Im Gegenteil, sie war für sie ein Labsal, und sie badete sich regelrecht darin, gab sie ihr doch Kraft und Macht.
»Du hast mich gerufen?« Jedes Wort des Teufels klang wie ein Donnergrollen.
»Ja.« Die Flammen fielen zusammen, nur das Gesicht blieb.
»Ich hoffe, du kannst mir einen triftigen Grund für deine Störung nennen, Asmodina.«
»Das kann ich.«
»Dann rede!«
»Es geht um den
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