0201 - Duett für Maschinenpistolen
Einer auf der Liste muß es ja sein, und es wäre gelacht, wenn das nicht herauszufinden wäre. Oder was meinst du?«
»Ich bin völlig deiner Meinung. Es freut mich, daß du endlich wieder zu einem gewissen Tatendrang zurückgefunden hast. Also los! Erst einmal eine Kleinigkeit essen und dann auf zu den Lievens! Sollen wir gleich mit der Tür ins Haus fallen und den Dienstausweis zücken?«
»Nein«, lehnte ich ab. »Ich weiß etwas Besseres.«
Die Lievens wohnten in einer Gegend, die früher einmal von den mittleren Beamten der Bundeshauptstadt bevorzugt worden war. Seit 15 Jahren aber waren hier die Neger im Vormarsch. Es vollzog sich eine lautlose Umsiedlung. Die weißen Mitbürger rückten nach Westen und Süden. Die Neger drangen von Norden und Osten her nach und übernahmen still und unauffällig ganze Viertel.
Die Lievens lebten in einem Mietblock, der bereits zu 90 Prozent von farbigen Amerikanern in Besitz genommen war. Das schien weder die Lievens noch die Neger zu stören. Es gibt eben Gott sei Dank auch bei uns Ecken, wo man sich mehr um den Charakter als um die Hautfarbe eines Mannes kümmert.
Wir klingelten an der Tür im 3. Stock, wo ein Blechstreifen mit Prägedruck den Namen Lieven verkündete. Drinnen schlurften Schritte heran.
Eine Frau von etwa 55 Jahren öffnete. Sie war füllig, grauhaarig und von jener freundlichen Redelust, die viele Frauen aus dem Volk auszeichnet.
»Wenn Sie mir was verkaufen wollen«, sagte sie, bevor wir auch nur guten Tag sagen konnten, »dann müssen Sie sich ’nen besseren Tag raussuchen. So kurz vor dem Ersten ist bei mir nichts zu holen.« Wir hatten die Hüte abgenommen, und Phil übernahm das Sprechen. »Wir sind Reporter der Associated Press«, sagte er. »Dürften wir Sie ein paar Minuten spreche, Mrs. Lieven?«
Sie stutzte. »Reporter? Meine Güte, was haben wir denn mit Reportern zu tun? Das ist bestimmt eine Verwechslung, meine Herren. Wir sind keine berühmten Leute, und ich wüßte nicht…« Sie brach hilflos ab.
»Es ist keine Verwechslung«, beharrte Phil. »Wir schreiben eine Artikelserie über den Mann auf der Straße, wie man so schön sagt. Wir wollen zeigen, wie der Durchschnittsamerikaner lebt. Natürlich muß das an einigen Beispielen gezeigt werden. Und wir dachten, Sie könnten uns darüber vielleicht ein paar Fragen beantworten.«
»Warum nicht?« sagte die Frau und breitete die Arme aus. »Ich bin schon immer der Meinung gewesen, daß zuviel über die großen Leute geschrieben wird. Wir sind ja schließlich auch noch da, und ohne uns wäre jede Berühmtheit eine taube Nuß.«
»Gnädige Frau«, sagte Phil so ernst, wie er es tatsächlich meinte, und er machte sogar eine Verbeugung dabei. »Sie haben mir aus der Seele gesprochen,«
»Aber kommen Sie doch rein!« forderte Mrs. Lieven uns auf. »Ich mache einen Kaffee. Dabei läßt sich’s besser erzählen.« Wir folgten ihr in die Küche. Wie bei vielen einfachen Leuten diente sie zugleich als Küche und Wohnzimmer. Alles war pieksauber und blitzte.
Wir setzten uns auf gepolsterte Holzstühle, die um den Tisch standen.
Mrs. Lieven stellte Wasser für den Kaffee auf den Elektroherd, und wir begannen einen Plausch, der bei einem Kaffeekränzchen nicht ausführlicher hätte sein können.
Wenn wir unserer selbstgewählten Rolle gerecht werden wollten, mußten wir nach allerlei Dingen fragen, die im Grunde gar nicht zu dem gehörten, was wir wissen wollten. Aber hätten wir ihr unsere Dienstausweise und unsere direkten Fragen gleich auf den Tisch des Hauses geknallt, so wäre die gute Frau verschüchtert gewesen, und jede ihrer Antworten hätte nur einen zweifelhaften Wert für uns besessen. So aber sprach sie sich frei und ungehemmt aus.
»Was macht Ihr Gemahl?« fragte Phil nach einiger Zeit.
»Mädchen für alles in einem chemischen Laboratorium«, sagte sie. »Er wollte früher selber mal Chemiker werden, aber das Geld reichte nicht für das lange Studium. Da ist er ganz glücklich, daß er diesen Job bekam. Sie arbeiten dort für die Regierung.«
»Ach?« sagte ich und spielte erstaunt. »Für die Regierung? Wohl neue Pflanzenschutzmittel fürs Landwirtschaftsministerium oder so ähnlich?«
Mrs. Lieven schüttelte den Kopf.
»Viel wichtiger!« sagte sie und nickte stolz. »Neue Waffen!«
»Hat er Ihnen das gesagt?«
»Na, direkt gesagt wohl nicht«, schränkte sie ein. »Aber wenn man mit einem Mann 22 Jahre lang verheiratet ist, dann kriegt man doch raus, womit er sich in
Weitere Kostenlose Bücher