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0203 - Die Geisterfrau

0203 - Die Geisterfrau

Titel: 0203 - Die Geisterfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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verbiegen. Wo Züge entgleisen.
    Telekinese wurde diese Erscheinung genannt. Aber diese telekinetischen Erscheinungen traten stets nur dort auf, wo sich die betreffende parabegabte Person aufhielt. Zamorra kannte den besten Beweis dafür an sich selbst. Unter günstigen Bedingungen war er in der Lage, Gedanken zu lesen, manchmal sogar ohne die verstärkende Wirkung des Amuletts. Aber nur in seiner unmittelbaren Nähe! Bei Personen, die sich außerhalb seiner Sichtweite aufhielten, gelang es schon nicht mehr…
    Lady Beatrice hatte sich aber weder im Keller aufgehalten noch in der Nacht zuvor im Bad oder in Bill Flemings Zimmer, als er aus dem Fenster gestoßen wurde. Die Spukerscheinungen traten unabhängig von Lady Beatrice auf.
    Aus diesem Grund, entschied Zamorra, konnte sie nicht daran beteiligt sein. Es widersprach allen Erkenntnissen der Parapsychologie.
    »Nein, meine liebe Nicole«, murmelte er. »Diesmal wirst du dich wohl getäuscht haben.«
    Er öffnete das Hemd und legte das Amulett frei. Merlins Stern funkelte hell.
    »Vielleicht«, sagte Zamorra im Selbstgespräch, »habe ich die falsche Methode benutzt. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muß der Prophet eben zum Berg wandern – auch wenn's in der Bibel andersherum steht. Ich hätte nicht nach dem Gespenst suchen sollen.«
    Er erhob sich, um nach einem günstigen Punkt in der Bibliothek Ausschau zu halten.
    »Aber noch ist ja nicht alles vorbei. Ich werde also den anderen Weg beschreiten.« Er nahm das Amulett ab und begann, die Bibliothek auszupendeln. An der Stelle, an der es am stärksten ausschlug, ließ er sich im Lotussitz auf dem Teppich nieder.
    »Ich werde das Gespenst auffordern, zu mir zu kommen.«
    ***
    Nicole rollte langsam über den Korridor. Allmählich wurde ihr diese Art der Fortbewegung doch etwas mühsam, zumal die Teppiche unterschiedliche Höhen besaßen und man sich ständig umstellen und vor allem bei einigen stärker anstrengen mußte. Aber sie wollte ihr flippiges Image noch ein wenig pflegen, und wer konnte wissen, wann einem der nächste Butler über den Weg lief?
    Nicole schmunzelte. Sie begann zu überlegen, auf welche Weise sie die Lady noch stärker provozieren konnte. Vielleicht sollte sie im Bikini zum Essen erscheinen – nein, das wäre wohl wenig sinnvoll. Es mußte andere Möglichkeiten geben. Eventuell konnte sie einen von Zamorras Anzügen stibitzen und auch, wenn ihr der bei weitem zu groß war, schlabberig in Schlips und Kragen erscheinen. Sie grinste bei dem Gedanken an den Aufruhr, der bevorstand.
    Wo zum Teufel hatte denn Bill seine Arbeitsecke? Sie wußte, daß er sich seiner Tätigkeit nicht in der Bibliothek hingab, weil es ihm dort zu »trocken« war, aber auch nicht in seinen Zimmern. Was hatte er noch gesagt, wo er arbeitete?
    Nicole rief sich in Erinnerung, wie der Bauplan der Burg aussehen mußte. Immerhin hatte Sir Winston sie ihr ja erst vor ein paar Stunden gezeigt!
    An der Treppe blieb sie stehen. Ja, richtig. Bill hatte sich seine Arbeitsklause eine Etage höher eingerichtet! Klappernd und klackend begann Nicole mit dem Aufstieg.
    Oben sah sie sich um. Rechts oder links? Links! Sie setzte sich wieder rollend in Bewegung und sah den Schatten.
    Links an der Wand bewegte er sich, glitt neben ihr her und verschwand kurz, während er ein Fenster passierte, um dahinter wieder aufzutauchen.
    »Hoppla!« murmelte Nicole und sah noch einmal genauer hin. Als sie stehenblieb, blieb auch der Schatten stehen.
    Aber war er nicht noch einen Sekundenbruchteil lang weitergeglitten?
    Und was tat der Schatten auf der Fensterseite? Im Gegenlicht? Er mußte doch rechts sein.
    Unbehagen erfaßte sie. Langsam wandte sie sich nach rechts um und sah ihren Schatten, den das mittägliche Sonnenlicht durch das Fenster warf. Sie streckte den Arm aus, und ihr Schatten tat es ihr nach.
    Wieder sah sie nach links. Dort war der Schatten geblieben, hatte aber darauf verzichtet, ebenfalls den Arm auszustrecken.
    »Nein«, flüsterte Nicole entgeistert. Dieser zweite Schatten, der gegen das Licht geworfen wurde, gehörte nicht ihr. Er konnte überhaupt niemandem gehören, denn rechts gab es keinen Beleuchtungskörper!
    Sie folgte dem Schatten an der Wand mit den Blicken bis zum Fußboden. Dort knickte er gehorsam ab und lief über den Teppich, aber er ereichte Nicole nicht.
    Es war nicht ihr Schatten.
    Sondern der eines Unsichtbaren.
    Des Gespenstes!
    Nicole setzte sich mit einem Ruck in Schwung. Die Rollschuhe trieben sie

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