0203a - Wir standen auf der Abschußliste
ein Brett aufgetrieben und in eine Astgabelung gelegt hätte, dann pirschte er auf dem Weg zurück, den ich gerade gekommen war.
Seine Schritte waren nur noch einen Augenblick zu hören, dann war ich allein in der großen, dunklen Stille.
***
Mit ein paar Klimmzügen kletterte ich auf den Baum und richtete mich auf dem provisorischen Sitz häuslich ein. Zuerst gewöhnte ich Auge und Ohr an die Dunkelheit und Stille. Weiter rechts leuchteten einige erhellte Fenster herüber, hinter denen Menschen lebten, deren Leben ich zu beschützen hatte. Auf der Straße huschten schnelle Lichter vorbei, und vereinzelt drang das Geräusch eines Motors bis zu mir herüber.
Links von mir lag der East River, dessen Wellen laut ans Ufer klatschten, dunkel und ohne Leben. Nur wenn ich den Kopf drehte und durch eine Lücke im Laub spähte, konnte ich einen hellen Widerschein erkennen, der wohl vom Flugplatz La Guardia kam.
Auch das Haus vor mir war dunkel. Ich konnte noch nicht mal die Umrisse erkennen.
Aber um so deutlicher registrierte ich jedes Geräusch. Unten auf dem Boden knackte ein Ästchen, und es klang so laut wie ein Paukenschlag in einem leeren Konzertsaal. Gleichzeitig raschelte es aufreizend im Laub, und erst als ich ein leises Gurren hörte, wußte ich, daß es eine Wildtaube war. Eine Maus fiepte in den höchsten Tönen, leiser Wind strich durch die Bäume und wirbelte einige Blätter hoch, die mit einem papiernem Geräusch herunterfielen, bis sie sanft auf dem Boden landeten.
Aber bald hatte ich mich an diese Geräusche gewöhnt, und ich war sicher, daß ich die kleinste Unregelmäßigkeit in dieser Lautkulisse entdecken würde, auch wenn ich nichts sehen konnte.
Ich holte mein kleines Sprechfunkgerät aus der Tasche und schaltete den Zauberkasten ein. Ich gab eine kurze Meldung an Mr, High, und da tönte auch schon seine Stimme aus dem winzigen Lautsprecher:
»Hier ist auch noch alles ruhig, Jerry. Aber lassen Sie Ihr Gerät eingeschaltet. Meiner Meinung nach kann es nicht mehr sehr lange dauern. Ende.«
Ich steckte den kleinen Kasten in meine Tasche, ließ ihn aber eingeschaltet. So konnte ich sofort hören, wenn mein Chef in seinem Büro auf die Taste drückte. Dann sprach ich noch einmal kurz mit den Leuten von Wilder, die in ihren Montagezelten saßen, aber auch dort war nichts los.
Und dann horchte ich weiter angestrengt in die Nacht und versuchte, mit meinen Augen die Dunkelheit zu durchdringen. Ich hatte mächtigen Appetit auf eine Zigarette, aber ich unterdrückte ihn. Der Glutschein hätte mich auf weite Entfernung verraten, der in der Dunkelheit stand.
Ich steckte die Packung also resigniert wieder in die Tasche und lehnt mich zur Entspannung bequem zurück gegen den Baumstamm, sofern man diesen Sitz überhaupt bequem nennen konnte. Dazu legte ich die Beine auf die etwas hochstrebenden Äste, und bald merkte ich, wie ich mich entspannte. Aber auch eine leichte Müdigkeit spürte ich in meinen Knochen. Das war schließlich verständlich, denn ich hatte immerhin schon einen strammen Tag hinter mir.
Langsam wurde mein Kreuz steif, und meine Augen hatten auch schon einen leichten Hang, zuzufallen. Ich holte ein paarmal ganz tief Luft, um die Müdigkeit zu verscheuchen und verlagerte auch meinen Sitz wieder.
Und dann war ich plötzlich wieder hellwach. Aber nicht wegen meiner Übungen, sondern weil plötzlich der Kasten in meiner Tasche zu plappern begann.
Und vor allem, weil die sonst so ruhige Stimme von Mr. High auf einmal gar nicht mehr so ruhig klang.
***
»Hallo, Jerry«, tönte es mir leise entgegen, als ich das Funkgerät aus der Tasche holte. »Die Bande ist am Bootsliegeplatz. Wir versuchen bereits dort die Festnahme. Das wird allerdings erschwert durch die vielen Leute, die da ’rumlaufen, anscheinend ist da eine große Party beim dortigen Jachtklub im Gange. Wenn Wilder aber seine Leute ’ranbringen kann, ohne daß jemand gefährdet wird, werden wir dort schon zugreifen.«
Dann hörte ich, wie er mit den Wasserpolizisten sprach und sie bat, ihren Polizeikreuzer bereitzuhalten. Darauf hatte er wieder einen der Leute vom Bootsliegeplatz am Draht, und ich verstand seinen Befehl:
»Auf keinen Fall! Sie dürfen die Leute nicht gefährden. Wenn die Kerle gestellt werden, laufen sie vielleicht Amok. Ziehen Sie Ihre Leute zurück und fahren Sie schnellstens zur 121. Straße.« Dann kam eine kleine Pause, und danach hörte ich weiter: »Also, alle drei sind an Bord, legen ab und fahren
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