0204 - Horror-Rock
nach.«
»Sollen wir hier sitzenbleiben und diskutieren?« erkundigte sich Suko.
»Oder uns mal ein wenig in der Nähe des Castells umsehen? Vielleicht finden wir einen Weg.«
»Ich stimme dir zu«, sagte ich.
Auch Doreen Delano hatte nichts dagegen. »Allerdings müßten wir noch eins machen.«
»Und das wäre?«
Doreen schaute mich an. »Wir brauchen für den heutigen Abend ganz normale Eintrittskarten…«
***
Jane Collins lebte.
Noch, mußte man dazu sagen, denn es war mehr ein Dahindämmern zwischen einem Wachzustand und dem der Ohnmacht oder Bewußtlosigkeit. Noch immer hing sie in der Schlinge. Die durch ihre Achselhöhlen laufenden Seile wirkten wie Messer, die ins Fleisch schnitten. Ihren Kreislauf spürte Jane überhaupt nicht mehr. Sie kam sich selbst vor wie ein toter Gegenstand.
Und sie sank tiefer.
Der teuflische Rhythmus wurde genau eingehalten. Immer wieder drehte sich das Rad, wurde von dem Bolzen für eine Zeitspanne gestoppt und ruckte weiter. Der Totenbrunnen fraß auch Jane…
Längst sah sie nur noch die alten, gemauerten Wände des Brunnens.
Das aus dem Verlies fallende Licht reichte nicht mehr bis in die Tiefe des Brunnens. Es glitt wohl über die runde Öffnung hinweg, die Jane als einen helleren Fleck hoch über sich sah.
Unerreichbar hoch…
Inzwischen mußte längst der neue Tag angebrochen sein. Und damit war auch die Sonne gekommen, es war hell geworden, Jane aber merkte davon nichts.
Innerhalb des Brunnens war alles gleich.
Tag und Nacht…
Nur die Dunkelheit.
Manchmal, wenn sie sich in einem der Wachzustände befand, dann schaute sie an sich herunter. Ihr Blick glitt in die Tiefe. Sie suchte nach einem Ausweg, wollte wissen, wo sich das Ende dieser Röhre befand, sie suchte einen Grund, den Abschluß, doch sie sah nur die unheimliche Schwärze.
Der Totenbrunnen schien grundlos zu sein.
Dann schwappten wieder die Schatten der Bewußtlosigkeit heran, rissen Jane an sich und zerrten sie hinein in ihr finsteres Reich.
Die Zeit verging.
Stunden rannen dahin…
Irgendwann wurde Jane wieder wach. Als sie die Augen aufschlug, da bemerkte sie, daß sich die runde Öffnung verkleinert hatte. Sie war wieder tiefer gesunken, und die Luft wurde auch schlechter. Sie wagte kaum noch, zu atmen. Der Gestank nach feuchten Steinen, nach Moder, nach Lehm und Nässe vertrieb die Atemluft. Jane hatte eine fürchterliche Angst, irgendwann in diesem Totenbrunnen steckenzubleiben und zu ersticken.
Allerdings waren ihre Sinne noch so weit geschärft, daß ihr die Geräusche nicht entgingen, die sie über sich vernahm. Stimmen konnte sie zwar nicht vernehmen, aber sie hörte das dumpfe Schlagen und Hämmern.
Da war jemand.
Sogar mehrere!
Vielleicht John?
Abermals keimte Hoffnung in ihr hoch. John war bestimmt auf dem schnellsten Weg hergeeilt. Sicherlich hatte er schon die ersten Nachforschungen angestellt, war auf Doreen getroffen und hatte sie verhört. Sie mußte ihm einfach den Weg zum Castell gezeigt haben.
Wenn John jetzt da war, dann sah alles ganz anders aus, dann würde er..
Da stockten ihre Gedanken. Depression überfiel sie, wenn sie daran dachte, daß es John Sinclair wohl kaum möglich sein würde, den geheimnisvollen Totenbrunnen zu finden.
Nein, der war so versteckt, daß John lange suchen konnte. Inzwischen war Jane bereits erstickt oder durch eine andere Art und Weise ums Leben gekommen.
Wieder gab es einen Ruck. Abermals sank die Detektivin ein winziges Stück tiefer, entfernte sich immer mehr vom Einstieg des Brunnens und damit auch von der Hoffnung.
Während hoch über ihr die Vorbereitungen zum Rock-Konzert auf vollen Touren liefen, zitterte Jane Collins um ihr Leben…
***
Eintrittskarten hatten wir noch bekommen. Allerdings nicht mehr offiziell, sondern zu erhöhten Schwarzmarktpreisen. Fast jeder wollte das Konzert hören und sehen. Die Menschen waren wie verrückt danach.
Selbst Rentner, die sich nichts aus Rockmusik machten und ansonsten über sie schimpften, wollten sich das Ereignis nicht entgehen lassen. Es war eben eine Abwechslung. Zudem gab es in dem alten Castell noch zu essen und zu trinken.
Nach dem Kauf der Karten hatten wir uns nach einem Leihwagen umgesehen. Auf einen Fiat einigten wir uns schließlich. Er war fünf Jahre alt und der Auspuff knatterte erbärmlich.
Das spielte keine Rolle. Hauptsache, wir waren motorisiert.
Ich wollte mir das Castell natürlich so früh wie möglich anschauen und drängte auch.
»Wir kommen da nicht
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