0205 - Gangster zahlen auch mit Blei
Wardens Privatwohnung erschienen und hatte ein letztes Angebot abgegeben. Fünftausend Dollar war alles, was er noch zu zahlen bereit war, und das war im Verhältnis ungefähr so viel, als hätte er für die gesamte amerikanische Stahlindustrie eine Million geboten.
Warden lehnte ab, verlangte direkte Verhandlungen mit Lund und drohte, dass er sich lieber mit einer Kugel im Kopf in das Hafenbecken werfen lassen werde, als sein Geschäft zu verschenken.
In den nächsten Tagen telefonierten er und Ryper mehrfach miteinander. Das Angebot stieg auf fünfzehntausend. Der Hafengangster blieb hart, obwohl er von Zeit zu Zeit von Angstanfällen geschüttelt wurde.
Dass noch nicht versucht worden war, ihm eins zu verpassen, bestätigte, dass Lund bereit war, zu verhandeln. So konnten wir noch hoffen, dass Warden und Lund doch zu einem gemeinsamen Gespräch zusammenkamen. Lag uns der Wortlaut dieses Gesprächs vor, unterschrieb Warden das Protokoll und hielt er seine Zeugenaussage aufrecht, dann konnten wir John Lund Verstöße gegen ein paar windige Paragrafen anhängen, wie zum Beispiel: Verabredung zu ungesetzlichem Geschäftsunternehmen. Etwas wenig für einen Mann, der mindestens ein Dutzend Morde auf dem Gewissen hatte.
Klar, dass Steven Warden sofort verschwinden musste, sobald seine Zeugenaussage vorlag. Lund hätte ihn sofort erledigen lassen, und wenn dabei ein ganzes Haus in die Luft geflogen wäre.
Aber das alles war noch Zukunftsmusik. Vorläufig verhandelte Warden nicht mit Lund, sondern immer noch mit dem für uns gänzlich uninteressanten Sam Ryper.
Wir kamen mit einigen Minuten Verspätung in den winzigen Drugstore. Warden und sein blonder Begleiter saßen bereits an einem Ecktisch, Warden mit dem unvermeidlichen Whiskyglas vor sich. Wir setzten uns zu ihnen.
»Gibt’s was Neues?«, fragte ich:
Warden schüttelte den Kopf.
»Ryper rief gestern noch einmal an. Er bot zwanzigtausend und sagte, das sei sein letztes Wort. Er gäbe mir vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit. Dann sei seine Geduld zu Ende.«
»Du hast abgelehnt?«
»Dazu ließ er mir keine Zeit. Er hängte ein.« Der Hafengangster vertilgte den Inhalt seines Glases und stieß es dann hart auf die Tischplatte.
»Ich glaube, ich gebe auf«, sagte er mit unsicherer Stimme. »Zwanzigtausend sind schließlich auch ganz schön.«
Und mit der Unvorsicht Angetrunkener brüstete er sich: 22 »Zweihunderttausend habe ich in guten Jahren schon gemacht. Zweihunderttausend, jawohl, mein Junge.«
Sein Gesicht verzerrte sich. »Und dieser Lump bietet mir alberne zwanzig Scheine. - Ich spucke darauf.«
Gleich darauf schlug seine Stimme wieder ins Weinerliche um.
»Was soll ich machen?«, jammerte er. »Ich will nicht als Leiche im Bach schwimmen. Whisky schmeckt mir, aber ich will nicht, dass mir Hudsonwasser in den Mund läuft.«
Seine Faust krachte auf den Tisch.
»Wenn nur einer von den Schmarotzern, die ich bezahle, den Mut hätte, mit Lund aufzuräumen. Für vierzig Cent, die ’ne Kugel kostet, wäre ich meine Sorgen los.«
»Du hast ja selbst nicht den Mut«, sagte der Blonde kalt. »Außerdem kommt keiner nah genug an Lund heran.«
»Aber an mich kommt er heran, wann immer er will«, schrie Warden.
»Nicht einmal die G-men können mich schützen. Ich muss den Vorschlag annehmen, G-man, sonst bin ich in vierundzwanzig Stunden ein toter Mann. Rypers Drohung war ernst gemeint.«
»Ich bin ziemlich sicher, dass sie nicht ernst gemeint war«, sagte ich. »Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Lund in den nächsten acht Tagen einen Mord befiehlt. Er liebt kein Aufsehen, und im Augenblick hat er bereits einiges Aufsehen erregt.«
Warden machte plötzlich einen relativ nüchternen Eindruck.
»Was meinst du?«
Ich zögerte und überlegte, ob es richtig wäre, dem Hafengangster von den Ereignissen in der Wellton Street zu erzählen. Er würde es zwar schon am Nachmittag in den Spätausgaben der Zeitungen lesen können, aber dennoch…
Die Entscheidung wurde mir abgenommen. Einer von Wardens Männern, jener Bursche, der ständig in seinen Zähnen stocherte, betrat hastig den Drugstore. Er steuerte sofort unseren Tisch an, tippte an den Hut und sprudelte heraus: »Muss dich sprechen, Steven!«
Warden erhob sich schwerfällig und ging mit seinem Gorilla zur Tür. Dort blieben sie stehen, und der Kerl redete flüsternd auf seinen Chef ein. In Wardens Gesicht zeigte sich der Ausdruck höchsten Erstaunens, dann etwas wie Befriedigung. Er
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