0206 - Das Vampirnest
Fausthieb sie getroffen. Ihr dumpfer Aufprall wurde auch von den anderen gehört.
Sie benahmen sich plötzlich nicht mehr wie Menschen. Schreiend stürzten sie auf Mabel zu. Bevor Easton eingreifen konnte, waren die ersten schon bei ihr.
Ted Gibbons stand an vorderster Stelle. Er hatte sich gebückt und riß die Sprechstundenhilfe in die Höhe.
Mabel erstarrte in seinem Griff. Die dicken Finger tasteten über ihren Körper. Ekel schüttelte sie. Eine andere Hand griff in ihr Haar, zog den Kopf nach hinten, damit der Hals freilag und die Haut straff gespannt wurde.
Ted Gibbons wollte zubeißen.
Mabel schloß die Augen.
Sie sah nicht, wie Gibbons plötzlich verschwand, sondern hörte nur das klatschende Geräusch. Auch der Griff von ihrem Haar verschwand, und als sie die Augen wieder öffnete, lag Gibbons vor ihr am Boden. Sein Gesicht war verzerrt, der Mund stand offen, Speichel rann aus ihm hervor.
»Laßt sie in Ruhe!« schrie Dr. Easton. »Sie gehört mir!«
»Aber wir wollen Blut!« kreischte Mrs. Forman. »Verdammt, wir wollen Blut!«
»Das bekommt ihr auch. Später. Erst einmal müssen wir hier weg!«
»Und wohin?«
»Es ist alles vorbereitet. Und ihr kommt mit!«
Da schwiegen die Blutsauger. Sie erkannten instinktiv den Arzt als ihren Chef an. Nur die Gibbons reagierten anders. Sie wollten für sich bleiben und keine Befehle annehmen.
Ted Gibbons umfaßte seine Frau und zog sich mit ihr zurück. »Nein, wir gehen nicht mit dir!« schrie er. »Du kannst mich nicht zwingen. Wir werden hier warten und…«
»Dann muß ich euch pfählen!«
Easton hatte die Worte gesprochen, und sie verfehlten die Wirkung nicht.
Alle duckten sich. Angst leuchtete in ihren Augen. Als Vampire wußten sie, was das Wort zu bedeuten hatte. Wenn jemand einen Pfahl durch ihr Herz schlug, war es aus.
Endgültig…
»Na?« höhnte der Arzt.
Die Gibbons schauten sich an. »Wohin willst du uns abschleppen? Wohin?«
»Das sage ich euch später.«
»Nein, jetzt!«
Easton lächelte. »Gut, ich will euch das meiste verraten. Wir haben uns etwas ausgedacht. Särge warten auf euch. Herrliche Särge, die eure Ruhestätten werden sollen. Wollt ihr nicht mit?«
Schweigen.
Die meisten nickten. Sie hatten plötzlich eine völlig andere Beziehung zu den Särgen. Sie empfanden sie als wunderbar, als herrlich und schön.
»Na?«
Gibbons blieb hart. »Ich werde nicht mit euch gehen. Ich bleibe hier, verdammt. Und ich gehe morgen in mein Haus. Hast du verstanden, Easton?«
»Ja, du hast laut genug gesprochen.«
»Und was sagst du dazu?«
Als Antwort griff der Arzt unter seine Smokingjacke und holte einen länglichen braunen Gegenstand aus Eichenholz hervor.
Es war ein Pfahl…
***
Auf dem Weg zu Dr. Easton telefonierte ich mit der Zentrale und fragte nach Suko. Vielleicht hatte er sich dort gemeldet und eine Nachricht hinterlassen.
Ich wurde enttäuscht. Die Kollegen hatten von dem Chinesen nichts gehört.
Das hob meine Laune natürlich nicht, im Gegenteil, sie sackte in den Keller. Zudem machte ich mir wirklich Sorgen um den Chinesen. Was er da getan hatte, war riskant gewesen. Auch ein Kämpfer wie er war nicht unbesiegbar.
Ich rollte durch das nächtliche London. Es war kälter geworden. Die Temperaturen bewegten sich wieder um den Gefrierpunkt herum. Einige Wagen überholte ich, denn ich fuhr ziemlich zügig.
Daß wir erst die kleine Spitze eines gewaltigen Eisbergs entdeckt hatten, war mir längst klar. Diese Vampirpillen stellten eine ungeheure Gefahr dar. Nie hätte ich gedacht, daß das Erbe der Fariacs so eine Wirkung zeigen würde.
Die Mordliga um Dr. Tod herum war auch geschwächt ein verflucht harter Brocken. Aufgeben würde Morasso auf keinen Fall, sondern es immer wieder versuchen. An die anderen Gegner, die Gesamtheit der Hölle und das Erbe des alten Atlantis, wollte ich erst gar nicht denken.
Denn was da auf meine Freunde und mich zukam, war unwahrscheinlich.
Easton wohnte in Chelsea. Ich kannte die Straße nicht. In der Markham Street, einer Nebenstraße der King’s Road, hielt ich an und schaute auf dem Plan nach.
Dort entdeckte ich die kleine Sackgasse, wo der Arzt sein Haus hatte.
Ich gab wieder Gas. Nur ein paar Ecken weiter mußte ich fahren, um mein Ziel zu erreichen.
Schließlich rollte ich durch die ausgestorbene Straße. Da war niemand auf den Beinen, aber rechts von mir, durch einen Vorgarten von der Straße getrennt, lag das Haus des Arztes.
Ich fand ein offenes Tor.
Die Gartenleuchten
Weitere Kostenlose Bücher