0206 - Das Vampirnest
kreischte.
Die übrigen Gäste sagten nichts. Allerdings hatten die Worte der Frau sie unsicher gemacht. Das war deutlich an ihren Blicken zu erkennen.
Sie schauten sich gegenseitig an und prüften tatsächlich nach.
Währenddessen flüsterte Mrs. Forman: »Die Pille. Sie war es. Sie hat uns verändert.« Wieder lachte sie.
Dr. Easton trank inzwischen das zweite Glas. Gelassen beobachtete er die Vorgänge.
Seine Tabletten hatten ihre Wirkung nicht verfehlt!
Sämtliche sechs Gäste waren zu Vampiren geworden. Alle prüften selbst. Jeder wollte sich von den Worten der Frau überzeugen, und sie stellten fest, daß sich ihre beiden Eckzähne verändert hatten.
Sie waren länger geworden und spitzer.
Mrs. Gibbons sprach es aus. Die Worte klangen wie ein Knurren. »Wir sind keine Menschen mehr. Wirklich nicht. Wir sind Vampire, Blutsauger!« Dann klatschte sie in die Hände und wollte sich überhaupt nicht mehr beruhigen.
Die übrigen Gäste hatten sich mit der Veränderung abgefunden. Sie waren jedoch nicht ängstlich oder drehten durch, sondern freuten sich wirklich mit.
Jeder war plötzlich froh über die Verwandlung, die er durchgemacht hatte.
Der Arzt ließ sie erst einmal in Ruhe. Er wartete einige Minuten ab, bis sich die. Leute an die neuen Tatsachen gewöhnt hatten.
Nur Mabel Jenkins konnte sich nicht damit abfinden. Neben der Tür stand sie an die Wand gelehnt, schaute mit weit aufgerissenen Augen auf die sechs Personen, und ihre Angst steigerte sich immer mehr.
Vampirgeschichten und auch Filme über dieses Thema hatte sie des öfteren gesehen, aber nie geglaubt, daß so etwas einmal Wirklichkeit werden könnte.
Sie wußte auch, daß Vampire Blut brauchten.
Menschenblut!
Und sie war der einzige Mensch zwischen ihnen.
Wurde sie nicht schon von kalten, blutgierigen Augen fixiert? Schätzte man nicht bereits ab, wann und wohin die anderen beißen wollten?
Stand nicht ihr Hals im Mittelpunkt der Blicke?
Sie schauderte. Über ihren Rücken lief eine Gänsehaut. Sie suchte nach einem Fluchtweg. Da die Tür verschlossen war, blieb nur das große Fenster.
Dahinter lag dunkel der Garten. Die Leuchten brannten nicht, und wenn es hart auf hart kommen sollte, würde sie versuchen, durch das Fenster zu fliehen. Dann mußte sie sich eben gegen die Scheibe werfen, auch wenn sie schwere Verletzungen riskierte.
Trotz der Angst gelang es Mabel Jenkins, ihre Gedanken zu ordnen. Sie sah auch die Möbelstücke und entdeckte einen Stuhl. Wenn sie ihn durch die Scheibe schleuderte, hatte sie bereits viel geschafft. Dann konnte sie hinterher springen. Die letzte Chance mußte sie nutzen, bevor sich die Blutsauger auf ihre eigentliche Aufgabe besannen und sie direkt angriffen.
Noch waren die sechs Vampire mit sich selbst beschäftigt, so daß Mabel ihre Chance sah.
Sie bewegte sich nach rechts und ging auf Zehenspitzen ihrem Ziel entgegen.
Niemand schenkte ihr Beachtung. Dabei vergaß sie allerdings Dr. Easton, der sie sehr wohl beobachtete. Er hatte den großen Über- und Durchblick behalten.
Er wollte, daß das getan wurde, was er sagte und befahl. Auch Mabel mußte ihm gehorchen, denn mit ihr hatte er etwas Besonderes vor. Sie sollte ein Geschenk werden.
Er raubte ihr nicht die Illusion und ließ sie erst einmal weitergehen. Die anderen redeten aufeinander ein. Sie waren vollkommen durcheinander, konnten es kaum fassen und mußten sich erst damit abfinden, keine Menschen mehr zu sein.
Äußerlich zwar noch, aber innerlich hatten sie sich längst verändert.
Mabel Jenkins streckte ihre Arme aus, und die Hände fielen auf die Lehne des Stuhls.
Die Finger krallten sich um das gebogene Holz. Ein Ruck, und sie hatte den Stuhl in die Höhe gerissen.
Bis zum Fenster betrug die Entfernung leider noch einige Schritte. Sie wollte aber wuchtig und gezielt werfen, deshalb lief sie mit dem Stuhl, wobei sie ihn hoch über den Kopf schwang.
Da griff Easton ein.
Bevor Mabel Jenkins das Sitzmöbel schleudern konnte, war er bei ihr, bekam ein Bein zu fassen und riß Mabel den Stuhl aus den Händen.
Zuerst bemerkte sie überhaupt nicht, was geschehen war. Erst als sie ihre Arme nach vorn schleuderte und durch den eigenen Schwung weitertaumelte, wurde ihr bewußt, daß sie verloren hatte.
Den Schlag des Doktors sah sie nicht. Sie spürte nur die Wirkung. Der Hieb schleuderte sie so weit nach vorn, daß sie dicht vor der großen Scheibe liegenblieb.
Unter dem vierten Wirbel schien ihr Rücken zu brennen, dort hatte der
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