0206 - Das Vampirnest
Schuhe, erkannte, als ich den Strahl weiter hoch wandern ließ, eine dunkelgraue Hose mit einem ausgefransten Gürtel, ein buntes Hemd und eine Fellweste.
Die Arme des Gehängten baumelten reglos zu beiden Seiten des Körpers herab.
Noch ein wenig höher wanderte der Strahl. Drei Knöpfe des Hemds standen offen, ein Stück Hals konnte ich sehen, und im nächsten Augenblick das bleiche Gesicht.
Es war ein makabrer Anblick. Die Augen des Gehängten waren so verdreht, daß ich das Weiße sehen konnte. Die Haut wirkte seltsam bleich, irgendwie teigig. Der Mund stand halboffen. Allerdings konnte ich nicht in ihn hineinschauen, denn die Zunge hing ein Stück hervor.
Der Mann selbst hing an einem eisernen Haken, der in der Decke befestigt war und aussah wie ein verrostetes Fragezeichen.
Jetzt konnte ich die Frau verstehen, daß sie so einen übergroßen Schreck bekommen hatte.
Zwei Schritte machte ich in den Keller hinein. Erst jetzt sah ich die Schlinge genauer. Sie bestand nicht aus festem Hanf, sondern aus dünnem, hautfarbenem, starken Nylon, so daß sie aus größerer Entfernung nicht zu sehen war.
Wenn ich mich reckte, konnte ich mit dem Messer den Gehängten losschneiden.
Als ich den dritten Schritt nach vorn gehen wollte, da bewegte sich der Gehängte. Bei den Händen fing es an. Sie schlossen sich zu Fäusten, gleichzeitig fuhr die Zunge zurück in den Mund, und ein Röcheln drang über die bleichen Lippen, die der »Tote« allerdings zu einem bösen Lächeln zurückzog.
Er gab damit den Weg frei für sein hervorstechendes Merkmal.
Es waren zwei Vampirzähne!
***
Sie träumten von einer Allianz der Vampire!
Sie das waren Pamela, Barbara Scott, auch Lady X genannt, und Vampiro-del-mar, der sich selbst als Kaiser der Blutsauger bezeichnete.
Zunächst allerdings mußten sie die schweren Rückschläge verdauen. Aber nicht nur sie, auch die übrigen Mitglieder der Mordliga hatten daran zu knacken, wie ihr Chef Solo Morasso, der den Namen Dr. Tod trug.
In der letzten Zeit hatte es ihn und seine schreckliche Bande fürchterlich erwischt.
Eigentlich hatte es so kommen müssen, denn alles lief darauf zu. Schuld an der Misere war Dr. Tods Machthunger gewesen. Er hatte es nicht mehr mit ansehen können, daß Asmodina stärker war als er, und er legte alles darauf an, um es zu einem entscheidenden Kampf kommen zu lassen. Das war geschehen, nachdem er sich der Rückendeckung des Spuks versichert hatte. Solo Morasso und seine Mordliga griffen Asmodina an.
Es war ein Kampf gewesen, in dem auch der Geisterjäger John Sinclair noch kräftig mitmischte. Beide Seiten hatten Federn lassen müssen. Die Seite, die verlor, war Asmodina. Mit dem silbernen Bumerang war es Solo Morasso gelungen, der Teufelstochter den Kopf abzuschlagen.
Aber sie hatte zuvor Marvin Mondo erledigt, er fand seinen Tod in glühender Vulkanerde, und auch Maddox, der Dämonenrichter, war umgekommen. Dieser nicht durch Morasso, sondern durch John Sinclair.
Die große Entscheidung, die so richtig keine gewesen war, hatte im Zentrum des Schreckens stattgefunden, und nach dem Kampf waren Morasso, Xorron, Vampiro-del-mar, Lupina und Lady X wieder zurück in die normale Dimension, sprich Erde, gekehrt. In ihrem Versteck auf Feuerland leckten sie ihre Wunden.
Von einer großen Niederlage erfuhren sie erst jetzt.
Tokata, der Samurai des Satans, existierte nicht mehr. [1]
Sein Feind aus uralten Zeiten, der goldene Samurai, hatte ihn getötet.
Das war der härteste Schlag für Dr. Tod und seine Mordliga gewesen, noch härter als Mondos Tod und der Verlust des Bumerangs.
Morasso hatte an Ansehen verloren.
Vor allen Dingen bei seinen Vasallen. Sie verfolgten ihn und seine Pläne sehr genau. Sie achteten darauf, was er tat, wie er sich benahm und welche Aktivitäten er zukünftig anstrebte.
Zunächst einmal nichts. Morasso mußte neue Pläne schaffen und sich erholen. Dagegen waren die anderen. Hätte er es nur mit Menschen zu tun gehabt, wäre es vielleicht ein Leichtes für ihn gewesen, diese bei der Stange zuhalten. Nicht bei Dämonen. Sie waren selbst ungemein machthungrig, wollten die Herrschaft, wollten alles haben und nach den letzten Vorkommnissen gehorchten sie Morasso nicht mehr bedingungslos. Jeder wollte sein eigenes Süppchen kochen.
Da war Lupina, die von einer weltumspannenden Vereinigung der Werwölfe träumte und mit der Gründung der Werwolf-Elite so etwas wie einen Anfang hatte machen wollen, was allerdings durch Sinclairs
Weitere Kostenlose Bücher