0208 - Die sieben Leben des Vampirs
angelehnt«, fuhr Bill fort. »Wir beide«, er deutete auf Manuela und sich, »warten und nehmen den Vampir in Empfang, sobald er kommt.«
»Aber das Zimmer muß doch abgedunkelt sein, nicht wahr?« wandte Ulrica ein.
Bill nickte. »Richtig. Deshalb wird der Vampir uns nicht sehen. Er spürt nur Sie, Fräulein, uns nicht. Das ist unsere Chance.«
Jetzt erst wurde den beiden anderen bewußt, daß sowohl Bill als auch Manuela schwarze Kleidung trugen. Schwarze Hosen und Pullover; keine Knöpfe, die schillernde Reflexe geben konnten. Dazu kamen schwarze Handschuhe. Das einzige, was sich nicht so leicht würde verbergen lassen, waren die Gesichter.
»Der Kaffee«, erinnerte Angela, die zwei Tassen des heißen Gebräus aufgesetzt hatte.
»Das reicht aber nicht für die Nacht«, wandte Ulrica ein und stellte sich selbst an die Kaffeemaschine.
»Die beiden müssen doch wach bleiben.«
»Es wäre ratsam, wenn auch Sie wach bleiben würden«, warnte Bill Fleming. »Dann können Sie am entscheidenden Moment rasch genug reagieren.«
»Wir werden sehen«, orakelte Angela, die Ungläubige.
Langsam verstrich die Zeit. Die Lichter erloschen, und die Stille setzte ein. In dieser Gegend Bochums war es auch in der Nacht relativ ruhig.
Die vier Menschen warteten. Sie warteten auf eine Bestie, die auf Mord erpicht war. Und Stunde um Stunde verstrich.
Angela war die erste, die einschlief. Ulrica war die zweite, trotz ihrer innerlichen Unruhe. Schon bald begann sie sich auf der Couch unruhig hin und her zu werfen, auf die sie sich angekleidet gelegt hatte.
Bill Fleming verfolgte ihre unruhigen Bewegungen aufmerksam. Er wußte, daß sie wieder ihren Alptraum hatte und die sieben schwarzen Särge sah.
Irgendwann würde der Vampir auftauchen.
Zäh tropfte die Zeit dahin und wollte nicht vergehen. Bill merkte kaum, wie ihm selbst ebenfalls die Augen zufielen, denn eine Unterhaltung, die sie alle wach gehalten hatte, verbot sich von selbst. Bill und Manuela warteten in den schattigen Winkeln des Zimmers, dort, wohin kein Licht fiel.
Im Dahindämmern vernahm Bill plötzlich das leise Scharren.
***
Krakow, der Vampir, hatte seinen Unterschlupf verlassen. Es war an der Ze it, zu vollenden, was er begonnen hatte. Der Köder brauchte nur noch vorbereitet zu werden.
Dann würde der Druide Gryf auftauchen, dem Köder folgen und in Krakows tödliche Falle tappen. Der Druide war schnell, sehr schnell. Vielleicht war in der nächsten Nacht bereits alles vorbei. Es hing davon ab, wie rasch es Krakow gelang, Gryf eine fingierte Nachricht zuspielen zu lassen - und wie schnell der Druide darauf reagierte.
Krakow durcheilte die Nacht. Er ließ sich Zeit, orientierte sich genau über seine zukünftige Heimat. Er mußte jede Stelle kennenlernen, mußte wissen, in welcher Gegend sich die besten Opfer befanden. Und Opfer würde es viele geben, die ihn mit ihrem Blut ernähren würden.
Noch spürte er kaum Hunger. Sein fünftes Leben hatte gerade erst begonnen, und Vampire sind anderen Gesetzen unterworfen als Menschen. Er brauchte noch kein Opfer zu suchen, um sein Blut zu trinken. Noch war der Durst zu ertragen.
Tief in der Nacht erreichte er das Haus, in welchem sein Köder wohnte. Krakow stieß auf das Fenster zu, das nur angelehnt war, kauerte sich auf den Sims und starrte hinein.
Drinnen war alles dunkel. Aber er sah Bewegung.
Ein Mädchen. Es schlief, aber es schlief sehr unruhig. Krakow wußte, daß das der Traum war.
Vorsichtig schob er mit einer Schwinge das Fenster weiter auf und schlüpfte ins Innere. Ein Biß würde genügen. Nur ein kleiner Schluck von dem kostbaren roten Saft… und die aufschreckenden, entsetzten Gedanken des Mädchens an den Vampirjäger Gryf weiterleiten! Er, der Druide, mußte mit mit seiner Druiden-Kraft die Gedanken wahrnehmen, mußte die Botschaft empfangen, daß ein Vampir zugeschlagen hatte. Er würde kommen.
Krakow konzentrierte sich auf die Umwandlung. Seine Konturen verwischten, wurden sekundenlang zu einem schwarzen Fleck, der größer wurde und dann wieder Gestalt annahm.
Menschliche Gestalt.
Krakow stand wieder auf zwei Beinen, besaß zwei Arme, die er ausstrecken konnte. Und langsam ging er auf das unruhig schlafende Mädchen zu.
Er öffnete den Mund. Die spitzen Eckzähne wurden unmerklich länger, schoben sich begierig vor.
Da fuhr das Mädchen aus dem Schlaf hoch. Aus weit aufgerissenen Augen starrte es den Vampir an, unfähig, sich zu wehren oder zu schreien.
Der Vampir neigte sich
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