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0208 - Die sieben Leben des Vampirs

0208 - Die sieben Leben des Vampirs

Titel: 0208 - Die sieben Leben des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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wie Unrat.
    Als sie verschwunden waren, kam wieder Leben in den Vampir. Mit raschelnder Lederhaut stand er schwankend da, sog das weiße Licht des Mondes in sich auf.
    Er mußte zurück.
    Der Verwandlungsprozeß setzte ein, mit den letzten verlöschenden Kräften automatisch eingeleitet. Das Skelett einer Fledermaus entstand, und das Pfahlkreuz glitt zwischen den weißen Knochen hindurch und polterte auf den Boden.
    Er durfte es nicht ansehen. Das Kreuz würde ihn weiter schwächen.
    Mit ledrigem Schwingenschlag der ausgedörrten Flughäute trieb er sich dem leichenblassen Mond entgegen und verschwand in ihm.
    ***
    »Der Bursche ist uns über«, brummte Bill Fleming nachdenklich und wog das Pfahlkreuz in der Hand, das allein übriggeblieben war. »Der hat irgend einen Trick auf Lager, der ihn überleben läßt. Das hat die Welt noch nicht gesehen.«
    Der Wagen rollte langsam durch die Nacht.
    »Was machen wir nun?«
    Bill Fleming zuckte mit den Schultern. Seine Finger glitten an dem Holz entlang. Als er sie dann betrachtete, sah er feine Staubpartikel. Vom Holz konnten die unmöglich stammen.
    »Etwas Substanz hat es ihn wohl doch gekostet«, sagte er.
    »Das erleichtert mich. Dennoch ist es mir unbegreiflich, wie er den Zerfallsprozeß, der bei jedem Vampir unweigerlich eintreten muß, zum Stoppen gebracht hat.«
    »Vielleicht ist er gar kein Vampir«, sann Manuela.
    »Hoppla«, sagte Bill. »Du meinst, er sei ein Dämon, der vielleicht zur Tarnung das Benehmen eines Vampirs an den Tag legt?«
    »An die Nacht, mein lieber Bill«, versetzte Manuela. Aber es könnte wirklich was dran sein, meine ich. Das würde natürlich vieles erklären. Einen Dämon kriegst du nicht einfach mit einem Pfahlkreuz klein, außer es handelt sich um einen ziemlich schwächlichen Vertreter seiner Gattung.«
    »Dann ist die Geschichte aber für uns beide eine Nummer zu groß«, entschied Bill. »Ich fühle mich nicht in der Lage, diesen Pseudo-Vampir in seiner wahren Stärke einzuschätzen, und ich möchte auch keinen Fehler machen. Ich lebe nur einmal.«
    »Aber das sehr gründlich«, stellte Manuela fest. »Erstens sitze ich momentan am Lenkrad und nicht du, zweitens ist das ein Automatikgetriebe, das das Schalten erübrigt, und viertens ist das, was du in der Hand hältst, nicht einmal der Wählhebel, sondern mein Knie.«
    »Ja und?« tat Bill erstaunt.
    »Ich wollte dich nur darauf aufmerksam machen, daß die Versicherung die Zahlung verweigern wird, wenn es sich herausstellt, auf welche Weise du mich vom Fahren ablenkst. Wir sind bald zuhause.«
    Zuhause, dachte Bill. Wie das klingt…
    »Von da aus rufen wir Zamorra an«, schlug er vor. »Wir sparen uns die Fahrt nach Frankreich. Er soll hierher kommen. Dann kann er sich direkt um den Vampir kümmern, und Zamorra hat mehr und stärkere Möglichkeiten, mit einem Dämon fertig zu werden als wir. Einverstanden?«
    »Einverstanden«, nickte Manuela. »Voll und ganz. Um so länger können wir dann nämlich nachher ausschlafen…«
    So, wie sie es betonte, gab es Bill Fleming einen Vorgeschmack darauf, daß dieses sich ausschlafen nicht allein aus sich ausschlafen bestehen würde…
    Was ihm natürlich durchaus gelegen kam.
    ***
    In der Grotte jenseits der Welt warteten die sieben lackschwarzen Särge auf Krakow, der wieder den Mond benutzt hatte, um durch ihn seine Grotte zu erreichen. Eine Woche war vergangen seit dem letzten Tod, und der Mond war schmaler geworden, aber noch paßte Krakow hindurch.
    Aus dem Fledermaus-Skelett wurde wieder die verdorrte Gestalt des Uralten, und aus dem Loch, das das Pfahlkreuz hinterlassen hatte, rieselte ein wenig Staub, als Krakow sich schwankend etwas vorbeugte. Zwischen schwarzen Zahnstummeln hinter raschelnden Pergamentlippen drang eine Verwünschung hervor.
    Das war früher nicht gewesen! Das Silber mußte immer noch wirken und sorgte dafür, daß ein Teil Krakows zu Staub wurde.
    Er preßte die knochigen Hände gegen die Öffnung, verhinderte, daß mehr Staub seine lederne Hülle verließ.
    Dann schritt er dem fünften Sarg entgegen und ließ sich darin nieder. Langsam schloß sich der Deckel; die Verschlüsse rasteten ein, um den Inhalt auch dieses Sarges nicht mehr frei zu geben.
    Krakows fünftes Leben war beendet, und sein sechstes begann, als noch in derselben Nacht im sechsten Sarg seine Gestalt unversehrt und kraftvoll wieder materialisierte.
    Langsam richtete Krakow sich auf, horchte in sich hinein, ob er das Rieseln von Staub vernahm.

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