021 - Aufbruch in die 'Neue Welt'
noch ein dumpfer Aufprall. Ein Messer zitterte zwischen ihnen im Mast. Sie fuhren herum. Matts Kette leistete Widerstand. Er blickte hinab: Ein zweites Messer nagelte die Kette in der Planke fest. Mitten hinein in das Kettenglied hatte das Messer getroffen. Es steckte tief im Holz.
»Habe ich euch wenigstens einen Schrecken eingejagt?« Ein großer Mann stand am Eingang zum Unterdeck -grauhaarig, stoppelbärtig, etwa fünfzig, fünfundfünfzig Jahre alt. »Es ist so tod- langweilig auf diesem verdammten Kahn.« Der Mann näherte sich. Ein wehmütiges Grinsen lag auf seinen verwitterten Zügen.
»Kuki«, seufzte Raspun. »Der Koch der Santanna. Er hat ein paar wunderliche Angewohnheiten…«
»Wunderliche Angewohnheiten…!« Der Mann namens Kuki bückte sich. Ächzend zog er an dem Messer in Matts Kette. »Ich bin Künstler! Das begreift nur niemand auf diesem verrotteten Kahn.« Endlich gelang es ihm das Messer aus den Planken zu ziehen. »Alle halten mich für den Koch!«
Er richtete sich auf und sah Matt ins Gesicht. Etwas Melancholisches lag in seinen Augen, etwas, das Matt auf Anhieb gefiel. »Ich kann mir so viel Mühe geben, wie ich will, kann den widerlichsten Taratzenfraß kochen - die Hohlköpfe sind nicht davon abzubringen: Sie halten mich für den Koch.« In einer ratlosen Geste breitete er die Arme aus. »Und dich halten sie für einen Sklaven, wie?« Ein bedauernder Unterton mischte sich in seine Stimme. Er senkte den Kopf und betrachtete Kette und Eisenkugel an Matts rechtem Fuß.
»Bitter, bitter«, seufzte er. »Aber so ist das Leben - ein großer Haufen Wakudascheiße. Irgendwann tritt man rein, rutscht aus und wird den Gestank nie wieder los.« Weder Matt noch Raspun antworteten. »Wie heißt du?«, wollte der Mann namens Kuki wissen.
»Matthew Drax.«
»Sei nett zu mir, Drax.« Kuki schlug Matt auf die Schultern und riss sein Messer aus dem Mast. »Dann kriegst du hin und wieder eine Mahlzeit, die nicht nach Frekkeuscherdung schmeckt.« Sprachs, wandte sich ab und verschwand in der Tür zum Unterdeck.
Später brachten drei mit Kurzschwertern bewaffnete Seeleute Matt zurück in den Sklavenkerker und schlossen ihn dort ein. Es war kalt in dem kahlen Raum. Matt hüllte sich in das Fell, das man ihm für die Nacht überlassen hatte. Vor dem vergitterten Fenster sog sich die Abendluft mit der Schwärze der Nacht voll. Dunkelheit fiel auf ihn.
Er grübelte nach - über Colomb, das Schiff, die Karten, die er gesehen hatte. Es ist zu verrückt… so einen Zufall kann es nicht geben… Sollte diese Hakennase tatsächlich über den Atlantik segeln wollen…?
Der Kolk fiel ihm ein. Er versuchte sich zu erklären, wie man von einem unterirdischen Bunkersystem aus den Zufall arrangieren konnte, dass ein Sklave auf ein Schiff verkauft wird, das - vielleicht - den Atlantik überquert. Er fand keine Antwort.
Nur eines war ihm vollkommen klar: Ohne Aruula würde er niemals einen Weg in die Vereinigten Staaten suchen.
Er entwarf Fluchtpläne und spielte sie durch…
***
Nuela betrat den düsteren, vollgestopften Raum, in dem der Kapitaan seine Berechnungen anzustellen pflegte, in dem er seine wahnsinnigen Pläne schmiedete und über die Rätsel der Welt nachgrübelte.
Vor dem vollgepackten Arbeitstisch stand der Afraner und berichtete von dem neuen Sklaven. Colomb, mit seinem verfluchten Buch am Fenster, hörte zu. Nuela ließ sich in den einzigen freien Sessel neben den Schreibtisch fallen, Der Kapitaan hatte sie rufen lassen - vermutlich brauchte er ihren Rat. Sie triumphierte innerlich. Vielleicht konnte sie ihn verführen. Vielleicht würde er doch nicht bei Bieena schlafen in dieser Nacht.
»Ein rätselhafter Mann«, sagte Raspun. »So klug - ich habe beobachtet, wie er die Sternkarten studierte, wie er die Seekarten betrachtete und all Eure Instrumente… Es machte ganz den Eindruck, als sei ihm all das vertraut. Selbst die Kraftmaschine beeindruckte ihn nicht. Er untersuchte jede Einzelheit. Ich bin fast sicher, dass er sie bedienen kann.«
»Dann hat Tuman also einen guten Kauf getätigt.« Colomb nickte zufrieden. »Und die Mannschaft ist endlich vollzählig mit ihm. Sehr gut.«
Raspun zuckte mit den Schultern und seufzte.
»Allerdings spüre ich auch seinen Freiheitsdrang. Man muss gut auf ihn Acht geben. Ein Mann wie dieser Maddrax kann nicht anders als um seine Freiheit zu kämpfen.«
»Meinst du wirklich, er wird einen Fluchtversuch wagen?«
»Ich bin fast sicher, dass er das tun
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