Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß

0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß

Titel: 0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
Jetzt nahm er sie deutlich wahr, und er fühlte auch, daß dieser andere böse war, unsagbar schlecht und grausam.
    Und er mußte große Macht besitzen, daß er den Schlaf des Einsamen zu stören vermochte. Nie zuvor war dergleichen geschehen.
    Der Schläfer öffnete die Augen und starrte in die Dunkelheit, die ihn umgab. Er fühlte, daß es draußen, außerhalb des Turmes, hell war. Nur seine Behausung war abgedunkelt - vorsichtshalber. Denn er wußte nicht mit endgültiger Sicherheit, wie er auf das Tageslicht reagierte. Und es konnte einmal der Fall eintreten, daß er bei Tage erwachte — so wie jetzt.
    Sir Henry Harpuloon war ein vorausschauender und vorsichtiger Vampir.
    Die bösartige Ausstrahlung störte ihn. Er mußte die Störung beseitigen. Nicht allein, weil er nicht mehr zum Schlaf kam, sondern weil sie eine Gefahr für Helleb bedeutete. Und Sir Henry wußte nur zu genau, daß er niegendwo sonst Ruhe und Frieden haben würde außer hier. Lange genug hatte es gedauert, bis er dieses Ländchen fand, diese kleine Welt, in der man ihn verstand und ihn duldete, ihm sogar half.
    Langsam hob der erwachte Schläfer die Hände und preßte sie gegen den Sargdeckel. Er gab nach, und die Scharniere quietschten erbärmlich, als der Deckel hochgedrückt wurde, bis er in einer Halterung einrastete.
    Sir Henry zwinkerte. »Teufel auch«, brummte er. »Man müßte die Gelenke einmal schmieren. Aber von diesen Narren kann man niemanden bei Dunkelheit hereinlassen; sie würden das Öl überall verteilen, nur nicht dort, wo es hin soll. Alles muß man selber machen…«
    Vorsichtig richtete er sich auf und kletterte aus dem mit rotem Samt ausgeschlagenen Sarg. Er konnte die Färbung auch im Dunkeln sehen. Seine Augen waren fast besser als die einer Katze.
    Er gähnte und entblößte dabei sein Prachtgebiß. Lange, viel zu lange hatte er es nicht mehr benötigt, aber die Eckzähne waren immer noch scharf. Vielleicht würde es nunmehr nötig sein, sie in den Hals des Bösen zu schlagen, der in den Turm eingedrungen war.
    Sir Henry überlegte, ob er Fledermausgestalt annehmen sollte, aber er entschied sich dagegen. Er flog nicht außer Haus, sondern würde im Turm bleiben, und da gab es entschieden zu viele Türen, die geöffnet und geschlossen werden mußten. Mit ziemlicher Sicherheit würde er auch in taghelle Bereiche gelangen. Da mußte man Vorbeugen.
    Eigentlich, überlegte er, konnte die Helligkeit ihm nicht schaden, wenn er sie nicht sah. Also griff er zu einem dunklen, undurchsichtigen Tuch und band es sich um den Kopf. Es verdeckte die Augen und würde nicht einmal grellstes Scheinwerferlicht durchlassen. Sofort fühlte Sir Henry sich ruhiger und gelassener.
    Der Nachteil war, daß er jetzt natürlich auch nichts mehr sah. Er mußte sich blind vorwärtstasten. Aber er vertraute auf sein Gespür, das ihn zielsicher dorthin leiten würde, wo sich der Fremde befand, von dem die bösartig-heimtückische Ausstrahlung ausging.
    Sir Henry tappte mit vorgestreckten Händen vorwärts, erreichte die Tür und suchte nach der Klinke. Ärgerlich argwöhnte er, daß jemand sie gestohlen habe, bis ihm aufging, daß er an der verkehrten Seite suchte. Darüber hinaus schwang die Tür nach innen, was er auch erst nach mehrmaligen Rüttelversuchen bemerkte. Sehenden Auges achtete man auf solch nebensächliche Kleinigkeiten nicht.
    Endlich schaffte er es, seine Wohnung zu verlassen. Er war zuversichtlich, daß er den unheimlichen Störenfried finden und bezwingen würde. Immerhin war er ein Vampir.
    Daß er sich bereits an der Treppe befand, stellte er erst fest, als er mit entsetzlichem Getöse Stufe um Stufe hinunterkollerte.
    ***
    Wilhelm von Helleb blieb allein in seinen Gemächern zurück. Die anderen hatten sich verabschiedet. Während Zamorra versuchte, die magische Barriere um den Turm zu durchdringen, konnten die anderen ohnehin nichts anderes tun, als abwarten. Zudem brachte es nichts ein, wenn sie weiter beieinander hockten und palaverten. Die Gespräche drehten sich im Kreis. Neue Ideen kamen nicht. Es mochte besser sein, hatte Wilhelm sich überlegt, wenn sie sich trennten, nach Zeichen dämonischer Aktivität Ausschau hielten und sich jeder für sich allein Gedanken machten, wie dem Zauberer beizukommen war.
    Wilhelm ließ sich von einer Dienerin den Cervisia-Krug neu füllen und setzte sich ans Fenster. Die Morgensonne schien herein. Kurz schien es dem Fürsten, als gleite ein Nebelschweif vor seinem Fenster vorbei, aber

Weitere Kostenlose Bücher