0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß
beobachtet?« fragte Zamorra.
Wilhelm schüttelte den Kopf.
»Zuerst wurde er auf der Zinne meines Leu-Turms gesehen«, grollte er. »Und den hat er prompt für sich in Beschlag genommen. Ob noch jemand der anderen Turmbewohner sich darin aufhält, weiß ich nicht - aber jetzt liegt eine undurchdringliche Sperre um den Turm, die wir nicht einmal durch einen Zeitsprung durchdringen können. Die Kraft dieses Zauberers ist gewaltig, und niemand weiß, was er beabsichtigt.«
»Man sollte ihn fragen«, sagte Nicole. »Vielleicht weiß er eine gute Ausrede.«
Zamorra hob die Brauen, Wilhelm und Erlik grinsten unverhohlen.
In diesem Moment flog die Tür auf, und zwei Kleine Riesen stapften mit schweren Schritten herein.
Wilhelm sprang auf, das Gesicht vor Erschrecken blaß.
»Gregor!« stieß er hervor.
***
Im Innern des Turmes zog sich ein höhnisches Grinsen über das schmale, eingefallen wirkende Gesicht des finsteren Zauberers. Seine unmenschlichen, magischen Sinne tasteten durch die Barriere hindurch nach außen, suchten nach den Gedanken der Menschen.
Jene fünf, die er so spielend leicht verwandeln konnte, hatte er auf diese Weise mit Leichtigkeit gefunden. Er würde auch andere Opfer finden und zu sich holen können, aber es kostete Kraft. Er mußte diese Kraft aussparen für die Verwandlung an sich.
Sie war bei den nicht vorgeprägten anstrengender als bei den ersten fünf, das hatte ihm die Verwandlung dieses Mannes deutlich gezeigt, der mit einem primitiven Zauberspruch einzudringen versucht hatte. Der Versuch war lächerlich gewesen. Ohne Rains Willen wäre es dem Helleber niemals gelungen.
Immerhin hatte er jetzt eine erste Erfahrung, von der er ausgehen konnte, wenn er auch die anderen verwandeln wollte. Er mußte langsam und vorsichtig zu Werke gehen, um seine Kraft nicht zu vergeuden. Deshalb konnte er die folgenden Opfer nicht per Magie in den Turm holen. Er mußte einen anderen Weg finden.
Und er wußte auch schon wie.
Während die anderen noch rätselten, wie sie ihm beikommen konnten, war er bereits auf dem Weg, sich sein nächstes Opfer zu holen…
***
»Tja«, sagte Gregor. »Dinge geschehen, die gibt es gar nicht. Ich versuchte, gemeinsam mit Thali in den Turm einzudringen, und da hat er mich eben erwischt.«
»Aber du warst doch damals nicht unter den Betroffenen«, sagte Erlik von Twerne.
»Offenbar kann er mehr, als bestimmte Dinge nachzuvollziehen. Er hat gelernt. Und ich schätze, daß er sich nicht mit mir begnügen wird. Er wird auch noch andere von uns umformen wollen - vielleicht alle.«
»Aber was bezweckt er damit?« fragte Ragnar erregt. »Was hat er davon, wenn er uns alle zu Ungeheuern macht? Damit ist doch nichts gewonnen! Wir werden zu Dämonenspürern, bekommen sogar noch zusätzliche Kräfte und sind leichter als je zuvor in der Lage, gegen Dämonen zu kämpfen - auch und vor allem gegen ihn.«
»Vielleicht will er genau das«, sagte Nicole.
Die anderen sahen sie überrascht an. Thali stieß ein drohendes Knurren aus. »Warum sollte er sich sein eigenes Grab schaufeln wollen?«
»Nicht unbedingt sein eigenes«, sagte die hübsche Französin, die sich inzwischen schon daran gewöhnt hatte, so gut wie nackt zwischen den anderen zu sitzen. Sie waren Kavaliere und begnügten sich mit bewundernden Blicken, und die genoß Nicole.
»Kleine Riesen sind Dämonenspürer und -kämpfer«, fuhr sie fort. »Vielleicht braucht Rain so etwas. Eine kleine, schlagkräftige Truppe, die für ihn Konkurrenten aus dem Weg räumt. Billig, schnell und zuverlässig, und auf ihn selbst fällt in der Schwarzen Familie nicht einmal ein Verdacht, bis alles zu spät ist. Vielleicht will Rain - Fürst der Finsternis werden…«
***
Rain hatte den Turm des Schreckens verlassen, der seinem Namen jetzt durch den neuen Bewohner alle Ehre machte. Er wußte, daß er eine auffällige Erscheinung war, deshalb beschloß er, etwas dagegen zu tun und sich einzutarnen. Er opferte ein wenig von seiner Substanz. Es war kein großes Opfer. Rain besaß genug Masse in sich, und er konnte den geringen Verlust jederzeit ohne sondèrliche Schwierigkeit wieder ausgleichen.
Es brauchte nur zu regnen…
Der Unheimliche schlich sich zwischen die kleinen, eng aneinandergedrückten Häuser der Stadtfestung. Jetzt, bei Tage, sah alles ganz anders aus als bei Nacht; außerdem hatte er da die Stadt nur aus der Höhe gesehen. Jetzt befand er sich unten in den schmalen Wegen und Gäßchen.
Rain verharrte im Schatten
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