0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß
eines Gebäudes und überlegte. Wo war das Haus des Herrschers? Fürst Wilhelm bewohnte keinen prunkvollen Palast, sondern war nehr erster unter gleichen. Er lebte in einem Haus wie alle anderen auch. Wenige des Adels quartierten sich in so herausragenden Bauwerken wie dem Turm des Schreckens ein.
Dort mußte das Atriumhaus sein, in dem in der Nacht gefeiert worden war. Wohnte dort auch der Fürst? Rain wußte es nicht. Er war auch in diesen Augenblicken nicht in der Lage, nach den Gedanken der anderen zu greifen, denn er konzentrierte sich darauf, sich mit Hilfe seiner Körpersubstanz ein-. zunebeln.
Wenn es ihm gelang, als nächstes Opfer Fürst Wilhelm in seine Gewalt zu bringen - mußte das die anderen so demoralisieren, so niederschmettern, daß er mit ihnen leichtes Spiel hatte…
In den Schatten der Häuser huschte er davon, ständig bemüht, nicht zu oft in das helle Licht der wärmenden Morgensonne zu geraten. Wenn die Temperatur weiter so stieg, würde er wieder ein Gewitter rufen müssen…
***
Nicoles Worte schlugen wie eine Bombe ein.
»Rain will Fürst der Finsternis werden? Und wir wollen als Dämonenkiller ihm den Weg bereiten?« schrie Thali. Stimmengewirr brandete auf. Alle redeten aufgeregt durcheinander, bis der Fürst sich erhob und mit ausgestreckten Armen Ruhe gebot.
»Ich behaupte nicht, daß es so ist«, sagte Nicole in die Stille hinein, »aber es ist eine Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen sollten.«
»Wir als Knechte eines Zauberers… undenkbar«, sagte Erlik von Twerne. »Eher gebe ich das Singen auf.«
»Er wird sich wohl arg verkalkulieren«, warf auch Ragnar ein. »Wir lassen uns nicht vor seinen Karren spannen.«
»Und wenn er eine Möglichkeit weiß, sich vor Euch zu schützen und Euch seinen Willen aufzuzwingen?« gab Zamorra zu bedenken. »Immerhin ist es Euch unmöglich, in den Turm vorzudringen.«
»Ich denke, Euer Amulett wird uns da ein wenig helfen«, sagte Erlik. »Deshalb holten wir Euch ja auch hierher.«
Zamorra griff unwillkürlich nach der silbern schimmernden Scheibe, die offen vor seiner Hemdbrust hing. »Wir können es versuchen«, sagte er.
»Dann kommt«, forderte Erlik auf. »Wir wollen keine Zeit verlieren - nein nicht alle! Je weniger wir sind, desto leichter vermeiden wir es, uns gegenseitig zu erschlagen!«
Der Fürst nickte ihm zu. Erlik grinste und legte Zamorra die Hand auf die Schulter. »Wir zwei, Zamorra«, sagte er.
»Drei!« warf Nicole ein und hakte sich bei Zamorra unter. Erlik legte die Stirn in Querfalten.
Dann aber zuckte er mit den mächtigen Schultern. Er wußte, daß Nicole durchaus kein furchtsames Weibchen war, sondern notfalls auch zu kämpfen verstand. Sorgen bereitete ihm lediglich ihr freizügiges Auftreten. Er war ein Verehrer weiblicher Schönheit und fürchtete, daß ihr Aussehen ihn im entscheidenden Augenblick ablenken würde. Immerhin schien sie nicht willens zu sein, den Einkaufsbummel vorzuverlegen.
Der Kleine Riese Gregor trat zu ihnen.
»Wir haben versucht einzudringen, Thali und ich«, sagte er. »Ich fand einen Zauberspruch, der den magischen Schirm unter dem Druck einer Schwertspitze aufreißen ließ. Aber der Zauberer war stärker. Seht Euch vor, daß Ihr nicht in eine Falle geht. Er ist gefährlicher, als es den Anschein hat. Ich glaube, er hat bisher nur einen Bruchteil seines wirklichen Könnens gezeigt.«
»Wir werden es beherzigen, Baron«, sagte Zamorra. »Ich will hoffen, daß Ihr bald wieder zu Eurer richtigen Gestalt zurückfindet, Ihr und die anderen.«
»Das«, sagte der Baron, »hoffe ich auch. Aber erst müßt Ihr den Zauberer aus seinem Bau holen und ihn besiegen. Meine Hoffnungen und guten Wünsche gehen mit Euch.«
Zamorra, Nicole und Ritter Erlik verließen das Atriumhaus, in dessen rückwärtigen Räumen, die der Herrscher Hellebs bewohnte, die kleine Lagebesprechung stattgefunden hatte. Der helle Schein der Morgensonne und das Stimmengewirr der erwachten Stadt nahmen sie auf.
Den dichten Nebelstreifen, der sich unweit von ihnen bewegte, bemerkten sie nicht…
***
Im Innern des Leu-Turmes stellte jemand eine Veränderung fest.
Er hatte mehrere Nächte verschlafen, weil er vollauf gesättigt war. Im Grunde hätte er auch jetzt weiter geschlafen, zumal es draußen Tag geworden war. Aber da war etwas, das ihn störte - eine magische Aura des Bösen und Unheimlichen.
Jemand war gekommen, der nicht nach Helleb gehörte. Nie zuvor hatte der Schläfer seine Ausstrahlung gespürt.
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