0210 - Drei Leichen im Garten
wurde.
Was die beiden besprachen, konnte Sarah Goldwyn nicht verstehen. Sie leerte ihr Glas und stellte es auf den Kühlschrank. Dieses Haus war ihr irgendwie unheimlich. Wohl fühlte sie sich nicht in diesen Wänden. Es strömte eine düstere Atmosphäre aus, aber es paßte zu Lady Clarence, die auch nicht anders war.
Dann hörte sie die Glocke.
Es war ein schrilles Läuten. Lady Sarah mochte es nicht, aber es war ihr Zeichen.
Man verlangte nach ihr.
Sie löschte das Licht, öffnete die Tür, gelangte in den schmalen Flur und schlug den Weg zur Treppe ein.
Lady Clarence und Serge erwarteten sie im Wohnraum. Ein großes Zimmer, vollgestopft mit dunklen Möbeln aus der Jahrhundertwende, einem grünen Kachelofen, hohen Fenstern und viel Plüsch als Dekoration. Der Lüster an der Decke war nicht eingeschaltet, dafür zwei Stehlampen, auf deren Pergamentschirmen Staub lag, obwohl Lady Sarah erst vor einigen Stunden geputzt hatte.
Die Frau saß in einem Ohrensessel. Serge stand wie ein finsteres Denkmal neben ihr und hatte einen Arm auf die Rückenlehne gelegt.
Seine rechte Hand umklammerte einen an der Lehne befestigten Knauf.
»Sie haben mich rufen lassen?« fragte Sarah Goldwyn.
»Ja.« Lady Clarence nickte. »Serge sagte mir, daß in Ihrem Zimmer Licht brennt und sie am Fenster gestanden hatten.«
»Ich konnte nicht schlafen.«
Lady Clarence lachte meckernd. »Warum soll es Ihnen da besser gehen als mir. Aber was gab es denn da so Aufregendes zu sehen?« wollte sie wissen.
»Wo?«
»Draußen vor dem Haus!« lautete die bissige Antwort.
»Ich…ich schaue des öfteren aus dem Fenster. Es macht mir einfach Spaß.«
»Wirklich?«
»Ja, Lady Clarence.« Sarah Goldwyn hielt dem Blick dieser Frau stand, was gar nicht so leicht war.
Lady Clarence konnte man schon als eine böse Karikatur bezeichnen, so wie sie aussah.
Jünger als Sarah Goldwyn war sie. Ungefähr zehn Jahre differierte ihr Alter. Die Haare hatte sie sich nicht nur kurz und zu einem Pagenkopf schneiden, sondern auch rot färben lassen. Ein Rot, daß den Augen wehtat, grell und mit dunkleren Strähnen versehen. Einmal in der Woche ging sie zum Friseur, damit ihr der Pony gerade geschnitten wurde.
Unter ihm begann das Gesicht mit der faltenreichen Haut. Allerdings sah man von den Falten nicht sehr viel, weil immer eine dicke Schicht Schminke darüber lag. Zudem noch eine Feuchtcreme, so daß ihr Gesicht immer glänzte, als wäre jemand mit einer Speckschwarte über die Haut gefahren. Ihre Kleidung holte Lady Clarence in den teuersten Boutiquen. Da es den Verkäuferinnen dort egal war, wer die Fummel kaufte - Hauptsache, sie wurden bezahlt, sagte ihr auch niemand, daß die Kleidung für ihr Alter nichts mehr war. Die grellen, neuen Farben paßten einfach nicht, wie das Kleid, das sie jetzt trug. Es war capeartig geschnitten, als Farbe dominierte Grün, wurde jedoch von roten Querstreifen unterbrochen. Das gleiche helle Rot, das auch die Fingernägel zeigten, die den Abschluß der knochigen Klauen bildeten, denn als Hände konnte man sie kaum bezeichnen.
Als Krönung des Ganzen trug Lady Clarence noch hochhackige Schuhe, in denen sie kaum laufen konnte. Unter dem Rocksaum schauten die Beine wie Strickstöcke hervor, und ihre dünnen, aber immer grell geschminkten Lippen wirkten irgendwie verschmiert.
Die Frau war eine Erscheinung zum Weglaufen. So wie ihr Äußeres war auch ihr Inneres.
Kalt, ohne Gefühl…
Die Augen lagen unter den künstlich angemalten Brauen wie zwei kalte Perlen in den Höhlen. Menschliche Wärme hatte dieser Blick noch nie ausgestrahlt.
Auch jetzt nicht, als sie Lady Sarah anschaute. »Sie scheinen sehr viel Zeit zu haben, daß Sie immer aus dem Fenster schauen können, meine Liebe.«
»Nicht immer, Lady Clarence, nur wenn ich nicht schlafen kann.«
Die Augen der Frau verengten sich. »Und Sie können öfter nicht schlafen?«
»In unserem Alter ist das so eine Sache…«
Lady Clarence atmete zischend ein. »Was heißt hier Alter?« keifte sie, denn Lady Sarah hatte mit ihrer Antwort einen wunden Punkt berührt.
»Sie sind wohl alt, ich nicht. Verstanden?«
»Natürlich.«
»Unverschämtheit«, regte sich die Frau auf, wobei sich ihre Hände öffneten und schlossen. »Was sagst du, Serge?«
»Ich stimme Ihnen zu, Lady.«
Klar, du Affe. Von dir hätte ich auch nichts anderes erwartet, dachte die Horror-Oma.
»Nun, da Sie schon mal unten sind und auch nicht schlafen können, bereiten Sie schon das Frühstück
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